Trainingsmaterial Nr. 16

Inhaltsverzeichnis

Eröffnungsfallen und Kurzpartien – Folge 15
Einführung in die Schach-Strategie – Folge 1
Hausaufgabe
Bildhafte Begriffe am Schachbrett
Final Fun




  Eröffnungsfallen und Kurzpartien
Heute: Opfer auf h7

Fast so häufig wie auf f7 opfert sich der Läufer auf h7. Als entscheidendes Motiv kommt hier dann die offene h-Linie hinzu, wo Dame und Turm entscheidend eingreifen können.

Ein erstes typisches Beispiel liefert uns der oftmalige britische Meister Frederick Yates (1884 – 1932).
Yates – Marin, Hamburg 1930
Sehr eindrucksvoll und lehrreich ist die folgende kurze Partie.
Morgunow – Zygankow, Sowjetunion 1956
In der nächsten Partie hat Schwarz verschiedene Möglichkeiten, wird jedoch immer verlieren. Natürlich muss man vor(!) einem solchen Opfer alle plausiblen Antworten bedenken.
Hartlaub – Feingold, Bremen 1925

Auch wenn der König die Flucht nach vorne antritt, wird er zur Strecke gebracht:
Strucic – Jancek, Jugoslawien 1958
Ähnlich ergeht es den Spielern in den beiden folgenden Beispielen.
Gaudersen – Faul, Australien 1928
Kuntermann – Döhrmann, 1956

Nun folgt noch eine etwas längere Partie, in der Weiß auch seinen Turm in den Mattangriff einbezieht.
Wason – Motyvay, 1963

Zum Schluss wieder der Beweis, dass man solche Opfer zuweilen auch selbst spielen kann. Es handelt sich um eine meiner ersten Wettkampfpartien – und wohl die erste, an die ich mich gerne erinnere.
Binder – Rabe, 1983




  Einführung in die Schachstrategie

Die meisten Stoffe unserer Trainingseinheiten beschäftigen sich mit taktischen Themen, also attraktiven Kombinationen, die – oft mit einem Opfer – in wenigen Zügen Material gewinnen oder sogar zum Matt führen.
Beginnend mit diesem Kapitel wollen wir aber auch strategische Themen ins Auge fassen. Hierbei geht es um das Ausnutzen kleinerer aber oft dauerhafter Schwächen in der Stellung des Gegners.

Zu Beginn wollen wir uns mit sogenannten "Bauernschwächen" befassen und wählen als erstes den isolierten Bauern. Ein Bauer wird als "isoliert" bezeichnet, wenn auf den angrenzenden Linien kein Bauer gleicher Farbe mehr steht. Er kann dann nicht mehr von Bauern geschützt werden, ist also ständig in Gefahr. Außerdem kann der Gegner oft das Feld vor diesem Bauern ("Blockadefeld") besetzen, da dort eine Figur nur schwer zu vertreiben ist.

Wir wollen uns nun 3 Partien ansehen, in denen Weltklasse-Spieler dieses strategische Motiv ausnutzen.
Zunächst eine Partie von Lajos Portisch aus der ungarischen Meisterschaft von 1965:
Liptay – Portisch, Budapest 1965

Und nun eine Partie aus dem Kandidaten-Finale der Weltmeisterschaft 1971. Dieses Match gegen Ex-Weltmeister Tigran Petrosjan (1929 – 1984) war sozusagen der vorletzte Schritt Fischers auf dem Weg zum Weltmeistertitel. Mit der vorliegenden Partie entschied er den Wettkampf praktisch zu seinen Gunsten.
Fischer – Petrosjan, Buenos Aires 1971
Im Analysetext dieser Partie lernen wir übrigens den wichtigen Begriff "Bauerninseln" kennen.

Im dritten Beispiel sehen wir die beiden sowjetischen Großmeister Waganjan und Balaschow in einem Duell aus der Landesmeisterschaft, das erneut durch den Kampf um den isolierten Bauern entschieden wird.
Waganjan – Balaschow, Leningrad 1974




  Hausaufgabe

Wir lösen jetzt die Aufgabe aus Training Nr. 14 auf.

Wir hatten 2 spannende Stellen einer Partie zur Diskussion gestellt. Hier nun die Lösungen:
Lösung der 1. Teilaufgabe
Lösung der 2. Teilaufgabe


Und hier nun die neue Aufgabe für dieses Mal.
Nach der schweren Strategie-Kost gibt es jetzt 3 leicht verdauliche Taktikaufgaben.
In allen 3 Aufgaben ist Weiß am Zuge und gewinnt durch einen taktischen Schlag schnell.
Aufgabe 1
Aufgabe 2
Aufgabe 3




  Bildhafte Begriffe am Schachbrett

Das Schachspiel ist dafür bekannt, dass es bestimmte Konstellationen mit bildhaften und prägnanten Begriffen (z. B. Freibauer oder Springergabel) umschreibt. Einige weitere davon wollen wir heute kennenlernen.

Dies ist das Epaulettenmatt. Epauletten sind die Schulterstücke der Militäruniform. Die beiden Türme auf den Schultern des Königs nehmen ihm die letzten Fluchtfelder. Epaulettenmatt
Sehr ähnlich ist der Schwalbenschwanz. Schwalbenschwanz
Die beiden Türme auf der vorletzten Reihe können allein zwar Dauerschach geben, aber kein Matt - jedenfalls nicht wenn der gegnerische Turm zu nahe steht. Janowski prägte dafür den Ausdruck Blinde Schweine. Blinde Schweine
Kurt Richter benannte ein recht originelles Mattmotiv als Zwangsjacke. Vor einigen Jahren gelang es mir in einem wichtigen Mannschaftskampf, damit eine Partie zu gewinnen. Entscheidende Phase zum Nachspielen:
Binder – Perkampus, Deutschland 1997
Hier sehen wir die Zwickmühle. Dieses mächtige Motiv ist oft der Weg zum Sieg. Die Engländer nennen es "see-saw" (Schaukel, Wippe). Eine berühmte Zwickmühle verwirklichte Torre gegen Weltmeister Emanuel Lasker. Torre – Lasker, Moskau 1925
Außerdem erinnere ich an die Partie Schmid – Muth aus der 9. Trainingseinheit.



  Final Fun

Hier nun die Fragen 6-10 zum Quiz aus Hartstons "How to cheat at chess".
Auflösung und Bewertung folgen im nächsten Training.

  1. .
  2. .
  3. .
  4. .
  5. .
  6. Bei den Verhandlungen für Ihren Herausforderungskampf um die Weltmeisterschaft besteht der Titelverteidiger auf einem Brett mit grünen und gelben Feldern.
    Ihre Reaktion ist:
    1. passive Einwilligung
    2. Ein sofortiger Kompromissvorschlag: grün/gelb auf seiner Hälfte der Brettes, schwarz/weiß auf ihrer
    3. "Also ich würde pink und lila vorziehen, Süßer."
  7. In einer komplizierten Stellung, die Sie zu verlieren glaubten, bietet Ihr Gegner plötzlich Remis an.
    1. Sie willigen sofort ein, bevor er es sich anders überlegt.
    2. Sie lehnen sofort ab, da auch er offenbar glaubt zu verlieren.
    3. Sie gehen auf die Toilette und analysieren die Stellung erst einmal gründlich auf Ihrem Taschenschach.
  8. Der Drehstuhl Ihres Gegners quietscht.
    1. Sie weigern sich, die Partie fortzusetzen, bevor der Stuhl nicht auseinandergenommen und auf elektronische Geheimwaffen hin untersucht wurde.
    2. Sie nehmen ein Ölkännchen aus Ihrer Tasche und verspritzen seinen Inhalt großzügig auf das störende Möbelstück und Ihren Gegner.
    3. Sie summen den langsamen Satz aus Schostakowitschs erstem Cellokonzert.
  9. Welche der folgenden Aussagen beschreibt am ehesten, warum Sie Freude am Schach haben?
    1. Schach ist ein stimulierender, intelektueller Zeitvertreib zwischen zwei Individuen, die sich in freundschaftlicher Rivalität verbunden haben, um bei Gelegenheit eine geringere Art von Kunst zu schaffen und so zu demonstrieren, dass es die Menschheit gelernt hat, sich mit der Realität des menschlichen Konflikts zu arrangieren, und darüber hinaus unsere Überlegenheit gegenüber niedrigeren Lebensformen anzuzeigen.
    2. Ich liebe es, das Ego meines Gegners zu zerbrechen.
    3. Ich kann sonst nichts anderes.
  10. Was würden Sie tun, wenn Schach niemals erfunden worden wäre?
    1. Es erfinden.
    2. Backgammon spielen.
    3. Mich in Schmerzen winden und verenden.



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Thomas Binder, 2003