Trainingsmaterial Nr. 26

Inhaltsverzeichnis

Opferklassen – Folge 3
Einführung in die Schachstrategie – Folge 7
Hausaufgabe
Bildhafte Begriffe am Schachbrett – Folge 3
Eröffnung intensiv – Folge 7
Aus der Geschichte der Schach-Weltmeisterschaft – Folge 1




  Klassifizierung von Opfermotiven

Diesmal betrachten wir eine weitere charakteristische Möglichkeit des Opferspiels:

Das Räumungsopfer

Es geht also darum, eine eigene Figur zu entfernen, die einer anderen im Wege steht. Wenn dies mit einer Drohung verbunden ist, auf die der Gegner zunächst reagieren muss (und sei es indem er die Figur schlägt), kann der nachfolgende Einsatz umso kraftvoller erfolgen.

Unser erstes Beispiel ist eigentlich recht einfach, dafür aber umso berühmter: Eine Aufgabe des portugiesischen Meisters Damiano aus dem frühen 16. Jahrhundert.
Das Matt des Damiano
Ein sehr ähnliches Motiv verwirklichte der polnische Großmeister Akiba Rubinstein (1882 – 1961) gegen den damals jungen späteren WM-Kandidaten Salomon Flohr (1908 – 1983).
Rubinstein – Flohr, 1929
Weniger bekannte Namen aber keineswegs weniger attraktive Züge sehen wir im folgenden Beispiel.
Reisch – Trojanski, Bulgarien 1969
In der folgenden Lehrbuchstellung räumen die Schwerfiguren das Feld um den Leichtfiguren das Matt zu ermöglichen.
anonyme Lehrstellung

Sehr interessant sind auch Räumungsopfer, die mit einem stillen Bauernzug eingeleitet werden. Ende 2002 gelang es mir selbst, auf diese Weise eine wichtige Turnierpartie zu entscheiden.
Strate – Binder, Potsdam 2002




  Einführung in die Schachstrategie
Heute: Das Läuferpaar

Beginnend mit dieser Folge wollen wir Grundwissen über ein weiteres wichtiges strategisches Motiv erwerben:

Das Läuferpaar

Es gehört zu den Paradoxien des Schachspiels, dass zwar einerseits Läufer und Springer als gleichwertige Figuren betrachtet (und daher meist bedenkenlos gegeneinander getauscht) werden. Andererseits besteht aber kein Zweifel darüber, dass 2 Läufer im Zusammenspiel wesentlich stärker sind, als jede andere Kombination von Leichtfiguren (2 Springer oder Springer + Läufer).

Besonders augenfällig ist die Kraft des Läuferpaars in offenen Stellungen wenn sie dominierende Positionen auf langen Diagonalen einnehmen. Wir sehen dazu einige Beispiele aus dem einschlägigen Lehrbuch von Großmeister Uhlmann.

Zunächst eine Partie des Autors selbst. Der oftmalige DDR-Meister bezwingt hier den späteren Bundestrainer Uwe Bönsch.
Uhlmann – Bönsch, Nordhausen 1986

Sahen wir im ersten Beispiel die Dominanz der Läufer gegen den Damenflügel, so wird jetzt der König unter Beschuss genommen.
Polugajewski – Ftacnik, Luzern 1982

Ganz ähnlich ist die Lage in der folgenden Partie, die ebenfalls effektvoll zu Ende gebracht wird.
Arnason – Keene, London 1981

Einen eindrucksvollen Tanz der Leichtfiguren (inklusive Läuferpaar) vollführt auch der Sieger der folgenden Partie.
Benjamin – Alburt, USA 1981

Die nachfolgende Partie aus der Praxis von Großmeister Uhlmann zeigt ein feinsinnig eingesetztes (und schließlich im richtigen Moment getauschtes) Läuferpaar im Endspiel.
Uhlmann – Gligoric, England 1970

Manchmal ermöglicht das Läuferpaar auch ein putziges taktisches Motiv, dem man aufmerksam begegnen sollte. Zwei Beispiele dazu: zunächst nochmals Großmeister Uhlmann, dann der Berliner Jugendspieler Attila Figura, der 2003 Deutscher Meister der Altersklasse U14 wurde.
Uhlmann – Augustin, Tschechien 1977
Figura – Zebisch, Deutschland 2003




  Hausaufgabe

Wir lösen jetzt die Aufgaben aus Training Nr. 24 auf.
Es handelte sich um eine Endspielstudie, die zum Thema "Hinlenkungsopfer" passte.
Auflösung der Hausaufgabe


Und hier nun die neue Aufgabe für dieses Mal.
Selten gab es in den Entscheidungskämpfen um die Weltmeisterschaften grobe Patzer zu sehen. Doch ausgerechnet dem für sein sehr sicheres Spiel bekannten Anatoli Karpow unterlief in der WM 1985 ein solch böser Fehlzug.
Hausaufgabe, 11. WM-Partie 1985 Kasparow – Karpow




  Bildhafte Begriffe am Schachbrett

Wieder einmal ist es Zeit für die bildhafte Sprache des Schachspiels. Sehen wir uns wir einige prägnante Begriffe an.

Racheschach Als Racheschach bezeichnet man ein eigentlich sinnloses Schachgebot in völlig verlorener Stellung. Meist gibt man unmittelbar danach die Partie auf.
Aber Vorsicht: Jedes Schachgebot muss beachtet werden. Schon manches scheinbare "Racheschach" hat sich als unangenehme Überraschung erwiesen. Ich erinnere an die lustige Wendung der Partie Troitzki – Vogt aus der 9. Trainingseinheit.
Luftloch Bild

Oft ist es sinnvoll als Vorsorge vor einem Grundreihenmatt, einen Bauern aufzuziehen. Doch dies kostet einerseits Zeit und sorgt andererseits für eine gewisse Schwächung der eigenen Bauernformation. Es muss daher wohl überlegt geschehen.
Pfahl im Fleische Bild

Diese typische Bauernformation wird als "Pfahl im Fleische" bezeichnet. Der Verteidiger befindet sich in höchster Gefahr: Kommt die weiße Dame nach h6, droht sie Matt auf g7. Außerdem ist die schwarze Grundreihe trotz des scheinbaren Luftlochs geschwächt. Man muss also auch auf ein Grundreihenmatt achten. Übrigens kann man sich von der Wirkung des "Pfahles" auch bei dem gerade gezeigten Damiano-Matt überzeugen.
Großbauer Bild


Als Großbauer bezeichnet man zuweilen einen Läufer, der so ungünstig steht, dass er auf die Wirkung eines Bauern reduziert ist. Das Bild zeigt einen besonders unglücklichen Fall.



  Eröffnung intensiv
Das angenommene Evans-Gambit

Heute wollen wir das äußerst interessante angenommene Evans-Gambit kennenlernen. Es ist durch die Züge 1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lc4 Lc5 4.b4 Lxb4 5.c3 gekennzeichnet.
Das Material dazu befindet sich in einem eigenen Dokument.
Das Evans-Gambit




  Aus der Geschichte der Schach-Weltmeisterschaft

Alle Schach-Weltmeister haben – sieht man einmal von der jüngeren Vergangenheit ab – das Spiel wesentlich geprägt und seine Darstellung in der Öffentlichkeit bestimmt. Einige von ihnen waren ein Jahrzehnt oder länger "an der Macht" und haben somit einer ganzen Epoche ihren Stempel aufgedrückt.
Das Wissen um diese herausragenden Personen gehört zur Allgemeinbildung des Schachspielers. Wir wollen es deshalb in dieser und den nächsten Folgen etwas auffrischen.
Im 1. Teil lernen wir die Weltmeister der frühen Jahre kennen.

Die Anfänge des Weltmeistertitels liegen im Dunkel. Unabhängig von offiziellen Wettkämpfen wurden die jeweils überlegenen Spieler ihrer Zeit völlig zu Recht als "Weltmeister" bezeichnet. Offizielle Titelkämpfe gab es seit 1886 als sich Wilhelm Steinitz den Titel von Zukertort zurückholte.
Der Titel wurde meist in einem mehr oder weniger langen Match gegen einen Herausforderer verteidigt. Für das Recht zur Herausforderung gab es keine festen Regeln. Oft waren es einfach private Abmachungen. Nicht in jedem Fall war der Herausforderer dieser Ehre würdig.

"Amtszeit" Weltmeister Lebensdaten Bemerkungen
1834 – 1840 Louis de Labourdonnais (Frankreich) 1797 – 1840 Er verstarb als unbezwungener Weltmeister.
1843 – 1851 Howard Staunton (England) 1810 – 1874 Nach Staunton ist die noch heute gebräuchlichste Gestaltung von Schachfiguren ("Stauntonform") benannt.
1851 – 1866 Adolf Anderssen (Deutschland) 1818 – 1879 Anderssen ist uns schon mehrfach begegnet, u.a. durch die "Unsterbliche Partie" im 3. Training. Seine Regentschaft wurde kurz durch Morphy unterbrochen.
1858 – 1861 Paul Morphy (USA) 1837 – 1884 Morphy weilte nur 2 Jahre in Europa. Dort bezwang er alle Schachgrößen (u.a. Anderssen mit 8:3) und galt als unbestrittener Weltmeister. Dann kehrte er nach Amerika zurück und spielte fortan kein Turnierschach mehr. Zwei eindrucksvolle Partien von ihm sind in der 19. Trainingseinheit zu finden.
1866 – 1894 Wilhelm Steinitz (Österreich) 1836 – 1900 Steinitz verlor den Titel 1883 an Zukertort, holte ihn sich dann jedoch im ersten offiziellen WM-Kampf zurück.
1883 – 1886 Hermann Zukertort (England) 1842 – 1888 Zukertort stammte aus Polen. Zur Zeit seines WM-Gewinns war er jedoch britischer Staatsbürger. Im Revanchekampf gegen Steinitz führte er schon 4:1, holte aber aus den restlichen 15 Partien nur noch 3,5 Punkte.
1894 – 1921 Emanuel Lasker (Deutschland) 1868 – 1941 Lasker trat auch als Mathematiker und Philosoph hervor. Mit einer Ausnahme (1910 gegen Karl Schlechter) gewann er alle Wettkämpfe mit riesigem Vorsprung, zuletzt Ende 1910 in Berlin gegen den Polen Janowski. Dann unterbrach der 1. Weltkrieg die Serie der WM-Kämpfe für elf Jahre, wonach Lasker schließlich der Weltmeister mit der längsten "Amtszeit" war.
1921 – 1927 Jose Raoul Capablanca (Kuba) 1888 – 1942 Capablanca gewann klar gegen den alternden Lasker wurde jedoch bereits bei der ersten Titelverteidigung von Aljechin bezwungen. Besonders legendär sind seine Fähigkeiten in komplizierten Endspielen.
1927 – 1946 Alexander Aljechin (Frankreich) 1892 – 1946 Der aus Russland stammende – aber in Frankreich lebende – Aljechin verstarb 1946 als ungeschlagener Weltmeister.
1935 – 1937 Max Euwe (Niederlande) 1901 – 1981 Euwe konnte Aljechin 1935 den Titel abnehmen, verlor aber 2 Jahre später den Revanchekampf. Später war er Präsident des internationalen Schachverbandes FIDE und beschäftigte sich auch als einer der Ersten mit Computerschach.

Einige Partien sollen das Bild abrunden:

Steinitz – Tschigorin, Weltmeisterschaft 1892
Steinitz lag zu Beginn des Wettkampfes zurück. Mit diesem Sieg in der 4. Partie konnte er erstmals ausgleichen. Doch auch danach blieb der Wettkampf spannend und der Titelverteidiger konnte sich erst mit 3 Siegen und einem Remis in den letzten Partien durchsetzen.

Capablanca – Aljechin, Weltmeisterschaft 1927
Der Wettkampf lief bis zur 6. Gewinnpartie eines Spielers. Mit diesem Erfolg in der 21. Partie ging Aljechin 4:2 in Führung und schaffte damit eine Vorentscheidung. Er gewann 6:3 nach 34 Partien.

Euwe – Aljechin, Weltmeisterschaft 1935
Nachdem zunächst Aljechin dominierte (Zwischenstand 6:3), holte Euwe immer mehr auf und setzte sich schließlich knapp durch. Die Vorentscheidung war dieser Sieg in der 26. Runde (von 30) nach dem der Holländer erstmals 2 Siege Vorsprung hatte. Die Partie gehört zu den berühmtesten der Schachgeschichte und wird nach dem Austragungsort als die Perle von Zandvoort bezeichnet.




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Thomas Binder, 2004