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Die Turm-Springer-Zange
Patt im Endspiel – Folge 2
Hausaufgabe
Eröffnung intensiv – Folge 9
Endspiel intensiv – Folge 8
Schönheit im Schach
Hier und in der nächsten Folge wollen wir uns zwei typische Mattbilder ansehen, die in der praktischen Partie immer wieder
vorkommen – aber wohl noch öfter von den beteiligten Spielern übersehen werden. Das ist natürlich besonders ärgerlich, wenn
dadurch ein sicherer Sieg vergeben wird. Leider ist auch mir das schon passiert …
Das Bild zeigt den wesentlichen Gehalt eines Mattbildes, das ich als "Turm-Springer-Zange" bezeichnen möchte.
Mit minimalem Figureneinsatz gelingt es, den König in seiner scheinbar sicheren Rochadestellung mattzusetzen.
Die Zange kann auf ganz verschiedene Weise zuschnappen. Es gibt keinen Standardweg zu diesem Mattbild. Sehen wir uns
deshalb einige Beispiele an, um ein Gespür dafür zu bekommen.
In der ersten Partie krönt der tschechische Großmeister Blatny einen starken Angriff mit der Zange.
Furdzik – Blatny, New York 2003
Sehr eindrucksvoll ist das Zangenmatt, wenn ihm spektakuläre Opfer – sogar Damenopfer – vorausgehen.
Paci – NN, Italien 1989
Izoria – Kalagashvili, Georgien 2001
Putzig ist das folgende Beispiel: Der erste Turm setzt die Zange probeweise an und opfert sich – dann beißt der zweite
Turm zu.
Manik – Kalousek, Slowakei 1995
Aber auch in scheinbar ruhigen Stellungen – wenn alles überstanden scheint – lauert unser Mattmotiv. Eine Unachtsamkeit
genügt, und schon ist die bis eben ausgeglichene Stellung rettungslos verloren.
Silva – Mendes, Portugal 1985
Sunderbrink – Gerhardt, Deutschland 1998
Zum Schluss eine eigene – unangenehme – Erfahrung. In einer Partie gegen einen Berliner Jugendmeister verpasste ich die
Gelegenheit, im richtigen Moment auf die Turm-Springer-Zange zu spielen. Entschuldigend kann nur gesagt werden, dass ich
davor bereits schlechter stand und die Partie mental schon aufgegeben hatte – Schade!!
Grünwald – Binder, Berlin 2004
Bereits in einer früheren Trainingseinheit (Nr. 5) hatten wir Endspielstellungen betrachtet, in denen sich die scheinbar aussichtslos
unterlegene Seite noch durch ein Patt retten konnte.
Wir wollen dies heute fortsetzen. Dabei wird es vielleicht überraschen, dass auch in Bauernendspielen durchaus Pattwendungen
vorkommen. Ein Beispiel dazu gab es auch schon in Trainingseinheit Nr. 6 zu sehen.
In der ersten Partie scheitert ein scheinbar offensichtlicher Gewinnplan an einer Pattwendung.
Kasimow – Komay, Israel 1979
Ähnlich einfach ist auch die folgende Stellung. Man muss nur im entscheidenden Moment an das Patt denken.
Lehrstellung
Selbst auf höchster Wettkampfebene kommen Bauernendspiele mit Pattmotiven vor.
Die Stellung von Großmeister Jonathan Mestel gegen seinen polnischen Rivalen scheint auf den ersten Blick gewonnen zu sein,
da er einen entfernten Freibauern besitzt und auch bald einen gegnerischen Bauern erobert – doch sehen wir genauer hin:
Mestel – Sznapik, Schacholympiade 1978
Das Beispiel zeigt nachdrücklich, welch gute Remischancen für die unterlegene Seite entstehen, wenn sich noch Randbauern
auf dem Brett befinden. Wenn es dem Verteidiger gelingt, dafür zu sorgen, dass am Ende ein Randbauer verbleibt, hat er den
halben Punkt meist sicher.
Auch im Kampf um die Weltmeisterschaft sind solche Wendungen bereits übersehen worden. Der frühere WM-Kandidat Bent Larsen
aus Dänemark büßte einen halben Punkt ein, als er den amerikanischen Großmeister Tarjan beim Interzonenturnier (WM-Qualifikation)
1979 in eine Pattstellung entschlüpfen ließ.
Tarjan – Larsen, Riga 1979
Die hier vorgestellten Beispiele entnahm ich einem hervorragenden Buch des Amerikaners Edmar Mednis. Er dekoriert seine Sammlung
mit einer eigenen Turnierpartie, bei der er nur glücklich einer Pattrettung entkam.
Aronson – Mednis, USA 1953
Schließlich – wenn auch nur vordergründig mit diesen Partien verwandt – ein lustiger Pattschluss aus einem aktuellen Turnier.
Der mehrfache Berliner Champion Jakov Meister versuchte über viele Züge hinweg mit König, Dame und Springer gegen König und Dame
seines jungen Gegners zu gewinnen. Doch der frühere Deutsche Jugendmeister Attila Figura verteidigte sich umsichtig und beendete
die Partie mit einem witzigen Patt.
Meister – Figura, Berlin 2005
Zunächst die Auflösung der Hausaufgaben aus Folge 33:
In allen Partien gelang es, mit schwerem Geschütz die gegnerische Stellung zum Einsturz zu bringen.
Dabei nutzten die Sieger die Grundreihenschwäche bzw. die mangelnde Koordination der Schwerfiguren aus.
Vor allem die beiden ersten Partien sorgten für einen riesigen Zuschauerauflauf:
Böttcher – Alic, Berlin 2004
Stielau – Schirrmacher, Berlin 2005
Wolff – Binder, Berlin 2005
Außerdem war nach dem mathematischen Beweis gefragt, dass Weiß im Doppelzugschach bei richtiger Spielweise mindestens ein
Remis erreicht.
Wir führen den Beweis indirekt, das heißt wir nehmen an, dass Weiß trotz ausgezeichneten Spiels stets verliert. Wenn diese
Annahme zu einem Widerspruch führt, ist die ursprüngliche Behauptung bewiesen.
Wir spielen mit einem Partner gleichzeitig 2 Partien an 2 Brettern – jeweils mit Weiß. Am 1. Brett eröffnen wir mit Sb1-c3-b1, also
wir verändern die Stellung überhaupt nicht. Jetzt entsteht an diesem Brett eine Situation, in der sozusagen Schwarz die Partie
eröffnet – nehmen wir an, er spielt e7-e5 und d7-d5. Diese Züge kopieren wir (mit Weiß) am 2. Brett: also e2-e4 und d2-d4.
Dann wiederholen wir den Zug des Gegners vom zweiten Brett (den er dort mit Schwarz gemacht hat) auf dem ersten Brett (mit Weiß).
Den Antwortzug von Schwarz an Brett 1 setzen wir an Brett 2 als weißen Zug ein usw.
Laut unserer Annahme ("Schwarz gewinnt immer.") müsste Schwarz also später beide Partien gewinnen. Auf dem 1. Brett setzt also
Schwarz irgendwann den weißen König matt. Da wir diesen Zug auf dem 2. Brett mit Weiß wiederholen können, setzen wir dort
den schwarzen König matt. Damit haben wir den gesuchten Widerspruch.
Folglich ist die Annahme falsch, das Schwarz auch bei bestem Spiel von Weiß gewinnen könne. Weiß erreicht mindestens Remis.
Leider hilft uns dieser Beweis aber überhaupt nicht dabei weiter, die beste Spielweise für Weiß auch zu finden…
Quelle: Jewgeni Gik – "Schach + Mathematik", Moskau 1983
Und hier nun die Aufgaben für dieses Mal.
Bei der Durchsicht einiger älterer Turniere bin ich auf zwei meiner Partien von 1989 gestoßen, die nach aufregendem Kampf
jeweils remis endeten. Ich spielte beide Partien bei einem Berliner Turnier gegen starke Gegner aus sächsischen Vereinen.
In der Partie gegen Clemens Fischer hatte ich bereits vor der Schlussphase einige Gewinnchancen vergeben.
Nachdem ich auch die letzte große Chance ausließ, ergab sich ein friedliches Remis.
C. Fischer – Binder, Berlin 1989
Im 31. Zug lässt Schwarz eine recht einfache Gewinnmöglichkeit aus – welche?
Genau dieser Gefahr hätte allerdings Weiß durch einen besseren 30. Zug vorbeugen können – wie?
Die Partie gegen Lars Schmidt endete mit Remis durch Dauerschach. Die Beobachter warfen ihm allerdings vor, dass er kurz
vor Schluss einfach gewinnen konnte. Hatten sie damit Recht?
L. Schmidt – Binder, Berlin 1989
Welche der folgenden Aussagen trifft auf dieses Finale zu?
Unsere heutige Lektion beschäftigt sich mit einer beliebten Spielweise innerhalb der Pirc-Verteidigung.
Doch schon mit dem Namen der Eröffnung beginnt die Verwirrung: Die Eröffnung mit den Zügen
1.e2-e4 d7-d6 2.d2-d4 Sg8-f6 3.Sb1-c3 g7-g6
wird im englischen Sprachraum oft als "modern defense" – also "Moderne Verteidigung" – bezeichnet. Da darf man sich natürlich
fragen, ob dieser Name nicht irgendwann seine Berechtigung verloren hat, denn neu ist diese Spielweise schon lange nicht mehr.
Daher benennt man sie auch nach zwei ihrer frühen Protagonisten, einem slowenischen und einem russischen Meister als
Pirc-Verteidigung bzw. Pirc-Ufimzew-Verteidigung. Der Name von Vasja Pirc (1907 – 1980), der über 30 Jahre lang
zu den besten Spielern Jugoslawiens gehörte, wird übrigens als "Pirts" ausgesprochen.
Das Trainingsmaterial befindet sich in einem eigenen Dokument:
Material zu einer Variante des Dreibauernsystems
Wir haben bereits in Trainingseinheit 14 ganz kurz besprochen, dass das Endspiel mit einem Randbauern und dem "falschen"
Läufer nicht zu gewinnen ist, wenn der auf sich allein gestellte König in die Verwandlungsecke gelangt. Als "falsch" bezeichnet man in diesem
Zusammenhang einen Läufer, der eben genau dieses Eckfeld nicht beherrscht.
Dort hatten wir uns mit dem Nachweis der Remisfolge begnügt. Nun wollen wir sehen, wie man langfristig seine Chance suchen kann,
in scheinbar nachteiliger Stellung auf diese Konstellation hinzuarbeiten.
Das Trainingsmaterial befindet sich in einem eigenen Dokument. Die Partieauswahl basiert auf einem Lehrbuch von GM Edmar Mednis.
Randbauer und "falscher" Läufer
Was bedeutet es eigentlich, wenn man sagt eine Partie oder eine Kombination sei "besonders schön" gewesen?
Jeder von uns hat schon davon gesprochen und meist war man sich in diesem Urteil sogar einig. Eine rationale Erklärung dafür
ist aber – wie so oft bei ästhetischen Begriffen – schwer.
Schachautoren haben sich dazu ihre eigenen Gedanken gemacht und die Kriterien der Schönheit im Schach in Worte gefasst.
Zunächst sehen wir die 7 Prinzipien der Schönheit, des französischen Autors Francois Le Lionnais, die dieser bereits 1939 erstmals formulierte:
Anders sind die englischen Autoren David Friedgood und Jonathan Levitt in "Secrets of spectacular chess" (1995) an die Kriterien wirklicher Schönheit herangegangen. Sie definieren 4 Merkmale schönen Schachs:
Für Fragen, Kritiken und Anregungen bitte Email an mich