Verteidigungsverfahren im Endspiel
"Turm gegen Turm und Bauer"

Wir beschäftigen uns heute mit einem häufig auftretenden Endspiel. Es ergibt sich, wenn ein Spieler mit einem Minus-Bauern ins Turmendspiel gerät und alles übrige abgetauscht wird.
Natürlich hat nur der Spieler mit dem Bauern noch Gewinnchancen, doch der Verteidiger kann mit genauer Kenntnis der Abwehrmanöver auf ein Remis hoffen.
Die wichtigen Endspiel-Theoretiker Philidor und Karstedt haben dazu Verfahren entwickelt, die man unbedingt kennen sollte.

Sehen wir zunächst, worum es geht und welchen Gefahren der Verteidiger vorbeugen muss.
Der Gewinnversuch
Wir haben also gesehen, dass der Spieler mit dem Bauern dieses Endspiel gewinnt, wenn er in der Musterstellung am Zuge ist.

Nun werden wir sehen, dass sich der Verteidiger retten kann, wenn er diese Stellung mit eigenem Zugrecht erreicht. Wir lernen dabei ein Verfahren kennen, das als "Philidorsche Remisstellung" bekannt ist.
Philidorsche Remisstellung
Gehen wir nun einen Zug zurück und sehen uns die Stellung mit dem Bauern auf der 5. Reihe an.
Bauer auf f5, Weiß am Zuge
Bauer auf f5, Schwarz am Zuge

Also zusammengefasst die Philidorsche Remisstellung: Der König hält sich vor dem Bauern auf, während der Turm den gegnerischen König nicht vorrücken lässt. Wenn der Bauer vor seinem König die 6. Reihe betritt, wechselt der Turm sofort seine Stellung und greift den König von hinten an.


Nun zu Stellungen, in denen der Verteidiger noch nicht die ideale Verteidigungsaufstellung einnehmen konnte.
Sehen wir zunächst das Grundproblem.
Schwarz steht vor einer schweren Entscheidung

Sehen wir, was passiert wenn der König nach e8 geht:
Schwarz spielt Kf8-e8
Hier war Schwarz schließlich chancenlos. Weiß gewann, indem er ein Verfahren benutzte, welches wir als "Brückenbau" bezeichnen. Sehen wir uns dazu noch ein einfacheres Beispiel an.
Brückenbau (Studie nach Salvio, 1634)

Und nun die Folgen von Kg8:
Schwarz spielt Kf8-g8
Das hier gesehene Verfahren wird als "Karstedt-Manöver" bezeichnet. Der Turm pendelt (in unserem Beispiel) zwischen f1 und a1 und droht je nach gegnerischem Verhalten mit Schachs von der Seite oder Angriffen von hinten.


Die Kenntnis dieser Verteidigung in einem relativ häufigen Endspieltyp kann manchen halben Punkt einbringen. Wichtig ist dabei, dass man nicht stur die einzelnen Züge lernt, sondern ihren Sinn versteht. Natürlich kann die Seite, die im Besitz des Bauern ist, risikolos weiterspielen und hoffen, dass der Gegner eine Ungenauigkeit begeht, denn verlieren kann man ja nicht mehr…


Und hier noch ein amüsanter Nachtrag zum Thema:
Selbst Spitzenspieler sind nicht immer in der Beurteilung dieser Endspiele sicher. Bei der Deutschen Einzelmeisterschaft 2004 gab der Internationale Meister Gerlef Meins (ELO 2460) seine Partie gegen Großmeister Klaus Bischoff (ELO 2561) überraschend auf, obwohl sie nach Kenntnis der hier gezeigten Verfahren einfach Remis zu halten war.
Meins – Bischoff, Deutschland 2004




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Thomas Binder, 2004