Dominanz über eine Figur im Endspiel

Recht oft gelingt es in scheinbar einfachen und ausgeglichenen Endspielen, eine gegnerische (Leicht)figur völlig vom Spiel auszuschließen oder sogar zu erobern.
Alle wichtigen Endspielautoren haben sich des Themas Dominanz angenommen und mehr oder weniger systematisch aufbereitete Beispiele dafür angeführt. Der Blick in jedes umfassende Endspielbuch wird Beispiele unterschiedlichster Komplexität und Schwierigkeit offenbaren.

Für mich gab eine eigene Partie den Anstoß zur erneuten Beschäftigung mit dem Thema. In der letzten Runde eines offenen Turniers ergab sich nach turbulentem Kampf ein Endspiel, in dem mehrfach Dominanzmotive gegen beide gegnerischen Leichtfiguren zum Tragen kamen.

In der kritischen Stellung dieser ersten Phase hätten sich sich für Weiß gleich drei – unterschiedlich gute – Möglichkeiten ergeben können, das Dominanz-Motiv gegen einen Springer auszunutzen.
Binder – Olaizola, Berlin 2014 – 1. Phase mit zahlreichen Dominanzmotiven gegen einen Springer
Etwas später war die Dominanz über den gegnerischen Läufer der endgültige Schlüssel zum Partiegewinn.
Binder – Olaizola, Berlin 2014 – 2. Phase – Dominanz gegen einen Läufer entscheidet die Partie

Zur Veranschaulichung einiger Dominanz-Geometrien hier noch einmal ein paar Bilder aus dieser Partie und ihren Varianten:

Bild Bild Bild

Was Ihrem Autor hier im Kleinen gelang, sah man wenige Wochen zuvor auch bei den Allergrößten ihres Fachs. In einer vorentscheidenden Partie des WM-Kandidatenfinals 2014 eroberte der spätere Turniersieger eine Figur durch Dominanz.
Anand – Aronjan, Russland 2014

Es folgen nun Beispiele aus der klassischen Endspiel-Literatur. Wir haben hier als Systematisierung nach der jeweils dominierten Figur gruppiert.

Dominanz gegen einen Springer

Die klassische Aufgabe zu diesem Thema ist so illustrativ, dass sie in der Literatur in der Regel ohne Bezug zu einer konkreten Partie angegeben wird.
Läufer gegen Springer – klassisches Lehrbeispiel
Nur wenig komplizierter wird es, wenn man dieses Dominanzmotiv in der praktischen Partie einsetzt. Die folgende Partie haben wir unter anderem Schwerpunkt bereits in Trainingseinheit 42 kennengelernt.
Goldberg – Tolusch, Moskau 1949

Selten sind die Fälle, in denen eine gleichartige Figur den Löwenanteil der Dominanz-Aufgabe übernimmt – so wie hier ein Springer gegen einen Springer. Die Partie stammt aus dem EM-Mannschaftskampf zwischen den Niederlanden und Polen.
Timman – Markowski, Schweden 2005

Dominanz gegen einen Läufer

In der folgenden Partie hatte der russische Großmeister lange auf eine Dominanzstellung hin gearbeitet. Dabei nutzt er im wesentlichen Gabeldrohungen seines Springers, die den Läufer schließlich in eine aussichtslose Position drängen. Den letzten KO-Schlag setzt die allgegenwärtige Endspielwaffe Zugzwang.
Nepomjaschtschi – Polowodin, Sowjetunion 1988
Wir haben die vorhergehende Endspielphase bereits in Trainingseinheit 43 ausführlich besprochen.

Der georgische Studienautor Kasparian (1910 – 1995) hat in einem Werk sage und schreibe 2545 Endspielstudien zum Thema Dominanz zusammengestellt. Er stellte dabei die Werke anderer namhafter Autoren thematisch geordnet zusammen. Sehen wir ein Beispiel der Dominanz des Springers über den Läufer.
Studie aus dem Werk Kasparian, 1920

Dominanz gegen einen Turm

Ziel eines Dominanzangriffs sind in der Regel die Leichtfiguren. Doch auch für den Turm kann es auf dem Schachbrett verdammt eng werden. Allerdings sind es meist komponierte Studien, die uns solche Debakel vorführen.
Studie von Rinck, 1920




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Thomas Binder, 2014