Volz,Daniel (1877) – Rolfes,Leon (1525)
Deutsche Meisterschaft der Schulen Bad Homburg, 11.05.2009

Wenn man diese Partie erlebt hat, gäbe es so viel zu erzählen… Aber dazu an anderer Stelle. Im Moment nur soviel: Im Laufe des Spiels stellte sich heraus, dass Schwarz mit einem Sieg seinem Team einen vorderen Platz in der Deutschen Meisterschaft der Schulen sichern kann.

1.e2-e4 e7-e5 2.Sg1-f3 Sb8-c6 3.Lf1-c4 Lf8-c5 4.Sb1-c3 d7-d6 5.d2-d3 Sg8-e7??
Strategisch mag dieser unsymmetrische Aufbau plausibel sein. Im konkreten Fall ist der Zug ein grober Patzer, nach dem Weiß die Partie sofort für sich entscheiden kann.

6.Lc1-e3?
[OK – es konnte also auch ganz anders kommen. Nach 6.Sf3-g5! hat Schwarz bereits keine befriedigende Möglichkeit mehr, f7 zu decken. 6…0-0? (6…d6-d5 7.e4xd5 ; 6…Lc8-e6 7.Lc4xe6 f7xe6 8.Sg5xe6 Dd8-d7 9.Se6xg7+ Ke8-f7 10.Sg7-h5 ) 7.Dd1-h5 h7-h6 8.Sg5xf7 Tf8xf7 9.Lc4xf7+ ]

6…Lc5-b6 7.d3-d4?
[und wieder 7.Sf3-g5! mit analogen Varianten.]

7…Lc8-g4 8.d4-d5
[Jetzt scheitert 8.Lc4xf7+ an 8…Ke8xf7 9.Sf3-g5+ Kf7-e8 10.Dd1xg4 e5xd4 11.Sc3-d5 d4xe3 12.Dg4-h5+ Ke8-d7 obwohl dies natürlich eine gute praktische Möglichkeit war.]

8…Sc6-d4
Weiß hat in der Eröffnung zwei klare Gewinnzüge ausgelassen. Er wird solche Chancen nicht wieder bekommen.

9.h2-h3 Sd4xf3+ 10.g2xf3 Lg4-d7
Man kann nun rätseln, ob die weiße Bauernstruktur ein wesentlicher Vorteil für Leon ist. Da Weiß noch nicht rochiert hat, wird er vielleicht mit der scheinbaren Schwächung am Königsflügel leben können. Er müsste dann aber ganz anders damit arbeiten, als er es im Partieverlauf tut.

11.Dd1-d2 Se7-g6 12.0-0-0 Dd8-e7
Die Partie hat sich beruhigt. Hier muss man bedenken, dass wir uns in einem Mannschaftskampf befinden. Recht früh ergab sich ein Zwischenstand von 1:1. Damit kam dieser Partie natürlich eine große Bedeutung bei. Eine Niederlage wäre für beide Seiten schon sehr problematisch, es kann aber auch sein, dass man unbedingt gewinnen muss. So gibt es erstmal ein gegenseitiges Belauern und Beobachten der übrigen Partien. Nebenbei erarbeitet sich Leon einen sicheren Zeitvorsprung.

13.Sc3-b5 a7-a6 14.Sb5-c3 Lb6xe3 15.f2xe3 De7-f6 16.Td1-f1 Df6-h4 17.Sc3-e2 0-0-0
Objektiv immer noch alles sehr ausgeglichen. Vielleicht steht mein Urteil über diese Partiephase ja auch ein wenig unter dem Eindruck des späteren Ergebnisses – aber im Moment lässt nur Schwarz Siegeswillen erkennen. Weiß verhält sich passiv und wartet (wohl mit Blick auf die DWZ-Differenz) auf einen Fehler.

18.Lc4-d3 Td8-f8 19.c2-c4 f7-f5
Das sieht zumindest zielstrebiger aus, als die Spielweise von Weiß.

20.e4xf5 Ld7xf5 21.e3-e4 Lf5-d7 22.Kc1-b1
Der Computer sieht hier bereits spürbaren Vorteil für Schwarz und plant eine Turmverdoppelung auf der f-Linie. Zumindest aus Sicht des Mannschaftskampfes (und des beobachtenden Trainers) spielt sich die schwarze Position wesentlich angenehmer – auch mit Blick auf den größer werdenden Zeitvorsprung.

22…Sg6-f4 23.Se2xf4 Tf8xf4 24.Th1-h2 Th8-f8 25.Ld3-e2 Dh4-g3
Konsequent drückt Leon auf die weißen Bauernschwächen.

26.Tf1-h1 Tf4-h4 27.Dd2-e3 Kc8-b8 28.De3-f2?
Das bringt nun forciert eine schlechte Stellung. Weiß wird einen Bauern verlieren. Außerdem ist die unterschiedliche Aktivität der beiden Läufer beeindruckend. [28.De3-g1 Dg3xg1+ 29.Th1xg1 g7-g6 30.b2-b4 und Weiß hat etwas Gegenspiel.]

28…Dg3xf2 29.Th2xf2 Th4xe4 30.Tf2-g2 Te4-e3
Leon war hier bereits klar, dass seine Spielweise auf ein Qualitätsopfer hinaus läuft.

31.Kb1-c1
[31.Tg2xg7?? Ld7-f5+ 32.Kb1-c1 Te3xe2 ]

31…g7-g6!
Das Rufzeichen gilt der Entschlossenheit, mit der unser Spieler hier auf Sieg (und damit auf das Mannschaftsergebnis) spielt. [31…e5-e4 32.f3xe4 (32.Tg2xg7?? Te3xe2 33.Tg7xd7 e4xf3 ) 32…Tf8-f7 33.Le2-g4 Te3xe4 ]

32.Kc1-d2 Te3xf3 33.Le2xf3 Tf8xf3 34.Kd2-e2 Tf3xh3 35.Th1xh3 Ld7xh3
Schwarz hat 3 Bauern für die Qualität bekommen. Das muss zum Sieg reichen. Und wenn nicht, dann hat Leon immer noch eine zweite Chance: Der Gegner wird in Zeitnot geraten.

36.Tg2-f2
[36.Tg2-h2 Lh3-g4+ 37.Ke2-e3 h7-h5 ]

36…Lh3-f5 37.Ke2-f3 Kb8-c8 38.Kf3-g3 Kc8-d7 39.Tf2-h2 h7-h5 40.Kg3-h4 Kd7-e7 41.Kh4-g5 Ke7-f7 42.Th2-f2 Kf7-g7
Die schwarzen Figuren stehen perfekt – aber wie geht es nun weiter?

43.Tf2-f1 h5-h4
Welches Zeichen soll man hinter diesen Zug setzen? [Fritz zieht 43…Kg7-f8 zeigt aber auch bei längerer Analyse nicht, wie man dann Fortschritte machen soll. Mit dem Textzug demonstriert Leon noch einmal, dass er hier gewinnen will. Im Lichte der Analyse mag das zweifelhaft sein. In der äußerst spannenden Situation vor Ort war es eine goldrichtige Entscheidung.]

44.Kg5xh4 Kg7-f6 45.b2-b3 e5-e4 46.Kh4-g3 Kf6-e5
Objektiv mag die Stellung ausgeglichen sein. Aber Schwarz hat mindestens die psychologische Initiative und zudem deutlich mehr verbleibende Bedenkzeit. Weiß musste in dieser Phase blitzen – da kann nicht jeder Zug perfekt sein – und eine kleine Unachtsamkeit wird in dieser Stellung zum Verlust genügen. Leons größte Herausforderung war es jetzt wohl, dass er sich nicht verleiten ließ, mit zu blitzen. Er blieb cool und konzentriert bis zuletzt.

47.Tf1-d1
[47.Kg3-f2 war wohl besser. Aber es gibt hier einfach keinen Zug, nach dem sich Weiß rundum wohl fühlen würde.]

47…b7-b6
[47…g6-g5 war sicher noch konsequenter.]

48.a2-a3 a6-a5
[48…g6-g5! ]

49.Td1-d2?
[Die einzige Chance bestand in aktivem Gegenspiel mit 49.Td1-h1 ]

49…e4-e3 50.Td2-e2
[50.Td2-h2-/+ ]

50…Ke5-e4 51.Te2-e1 Ke4-d3 52.Kg3-f3 Lf5-e4+
Das war's – Weiß gab auf. 0-1