Abrafaxe-Turnier 2022

Nach zweijähriger Pause konnte endlich die 24. Ausgabe des schönsten Berliner Kinderschach-Turniers in Angriff genommen werden. Bei uns gab es einige ärgerliche Terminüberschneidungen. So übernahm Aram allein die Betreuung unserer Spieler, unterstützt vom Vater eines Spielers. Wir konzentrierten uns daher auf die Spieler aus dem Umfeld unseres Partnervereins in Siemensstadt. Zwei weitere Herderschach-Schüler vom SC Weisse Dame spielten in der Delegation ihres Vereins.
Schließlich betreute Aram noch zwei 10-jährige afghanische Jungen aus einer Flüchtlingsunterkunft, mit denen wir seit einem halben Jahr trainieren.

Haben wir das Schnellschach verlernt?

Blickt man auf die Ergebnistabellen, so konnten wir nicht ganz an die Erfolge früherer Jahre anknüpfen. Das mag verschiedene Ursachen haben. Eine ist aber sicher, dass es der aktuellen u14-Generation an Erfahrung im Schnellschach (15 Minuten) mangelt. Schachlich können die Spieler jedenfalls deutlich mehr, als sie an diesem Samstag gezeigt haben.
Auffällig sind leider auch einige lange Niederlagen-Serien, die wir so nicht gewohnt sind.

Für den detaillierten Bericht über das Spiel unserer Vertreter gebe ich gleich Aram das Wort. Zuvor sei erwähnt, dass Jakob und Loïc vom SC Weisse Dame mit je vier Punkten in ihren Gruppen ein beachtlich gutes Turnier spielten, auch wenn sie im weiteren Text dann nicht mehr zu Wort kommen. Über 4 Punkte in der C-Gruppe freute sich auch einer unserer beiden afghanischen Schützlinge. Da ist mit etwas längerem Nachdenken noch mehr möglich. Sein Freund kam zwar nur auf 2 Punkte, spielte aber viele gute Partien, die dann durch einzelne Patzer noch verloren gingen.

Beobachtungen am Brett

Bild Nun aber zu Arams Bericht mit Siemensstädter Vereinsfokus:

Von uns gab es heute richtige Jan-Power: Unser stärkster Spieler war Jan S., das spiegeln die Punkte auch wieder. Bis auf einen Aussetzer in Runde 5 (die Runde lief bei keinem so richtig) spielte Jan heute richtig gutes Schach! Anmerkung Th. Binder: Das überrascht mich nicht. Der Trend ist seit Monaten erkennbar. Jan hat sich in jeder Runde genug Zeit gelassen, wichtige Ideen gefunden und klare Gewinnstellungen zu Ende geführt. In so einem Turnier (fast) ohne groben Fehler durchzukommen, ist eine sehr starke Leistung!
Und genau deshalb bekommt unser stärkster Spieler heute auch das einzige Foto.

Jan D. hatte in den ersten beiden Runden Schwierigkeiten, in das Turnier zu finden. Beide Male kam er nach etwa fünf Minuten zu mir und berichtete von seinem Verlust. Danach hätte es aber nicht besser laufen können: In den nächsten fünf Runden hat er sich jedes Mal seine Zeit genommen und blieb sogar ungeschlagen. Ein unnötiges Patt in kurioser Stellung kostet ihn allerdings einen besseren Tabellenplatz.

Juri schwankte zwischen dem sicheren Schachspieler, den man kennt, und jemandem, dem Schnellschach vielleicht einfach nicht so richtig liegt. Anmerkung Th. Binder: Passt! Am Anfang spielte Juri mehrmals die längste Partie der Runde Sehr überzeugend war dabei, wie er in ausgeglichener Stellung mit gutem Plan Fortschritte machte und dann auch gewann. Nach seinem Verlust gegen den 1600er in Runde 3 konnte er sich nicht mehr so richtig aufrappeln. Die Partien liefen einfach nicht, und "immer ging ihm etwas schief"… Erst zur Schlussrunde konnte sich Juri wieder fassen und (gut, die Konkurrenz hat ihm da sicher geholfen) das abliefern, was man eigentlich von ihm gewohnt ist.

Für Viktor folgten auf seinen Auftaktsieg 4(!) Niederlagen in Folge. Auch wenn zwei davon gegen sehr hochkarätige Gegner waren, hätte man beispielsweise einen Dameneinsteller in Runde 5 vermeiden können. In den letzten zwei Runden konnte er dann doch noch zeigen, was er eigentlich drauf hat. In den nächsten Turnieren geht aber wesentlich mehr, das weiß Viktor auch.

Sehr positiv überrascht bin ich von Ansgar. Schon ganz am Anfang konnte er sehr gut gegen seinen übermäßigen Gegner (DWZ über 1600) mithalten, hat sogar mit schöner Taktik einen Bauer zurückgewinnen können und musste sich erst in Zeitnot seinem erfahreneren Gegner geschlagen geben. Die beiden Runden danach waren dann das genaue Gegenteil – so schnell vorbei, dass ich keine Details sehen konnte. In Runde 4 hat Ansgar dann aber wieder angefangen, ordentlich nachzudenken und direkt mal eine Partie gewonnen. Es folgten ein schönes Remis und ein weiterer (etwas glücklicher, aber zumindest mit Idee) Sieg. Auf dem Weg zu 50% wurde er dann gegen (den deutlich zu tief liegenden) Viktor gesetzt. Das zu verlieren, ist dann auch nicht weiter schlimm.

Auch bei Maxim ging das Turnier am Anfang richtig gut los. Sein Sieg in Runde 2 war quasi fehlerfrei gespielt, für etwa 20 Züge manövriert er seinen König aus verschiedenen Dauerschach-"versuchen" des Gegners, um dann zu gewinnen. Das hätte sogar ich schlechter gespielt. Wo die ersten vier Runden von starkem Spiel und gut durchdachten Zügen geprägt waren, waren die letzten drei von Unachtsamkeiten und Fehlern überzogen. Das ist wohl eine Folge der ungeheuren Hitze, die alle Spieler heute ertragen mussten. In zwei der letzten drei Partien steht Maxim sogar klar besser, bevor er seine Dame einstellt. Die letzte Partie sah trotzdem ganz gut aus.


Bericht und Foto: Aram Azarvash