Bild Herderschach-Weihnachtsturnier 2022

Endlich wieder Weihnachtsturnier! Nach zwei Jahren Corona-Pause konnten wir endlich wieder im gewohnten Rahmen unseren Jahreshöhepunkt in Angriff nehmen. Erstmals spielten wir im heimatlichen Schulgebäude, denn Herderschach-AG und kooperierender Schachverein sind seit einigen Monaten auch räumlich ganz eng zusammengerückt.
In der Mensa herrschten perfekte Spielbedingungen, und eine halbe Treppe höher traf man sich im Raum der Turnierleitung zum Rahmenprogramm. Mit 60 Teilnehmern verzeichnet unser Weihnachtsturnier bei der 18. Auflage eine neue Rekordbeteiligung. Von der allseits grassierenden Grippewelle blieb unsere Meldeliste weitgehend verschont.
Das Organisationsteam mit Frau Maeß, Herrn Steinkrauß und Herrn Binder sowie Herderschach-Legende Aram Azarvash sorgte für einen reibungslosen Ablauf. Der Dank für die Finanzierung des Gabentischs ging an den Förderverein der Schule.

Bild Spannender Kampf an der Spitze auf hohem Niveau

Das riesengroße Feld mit vielen Top-Spielern sorgte für einen bis zuletzt spannenden Verlauf. In Runde 5 gewann Joachim die Spitzenpaarung gegen Kai. Sein Gegner hatte den Aljechin-Chatard-Angriff nicht ganz korrekt behandelt und stand nach wenigen Zügen schlecht. Ein einzügiges Matt hätte man dennoch nicht unbedingt übersehen müssen. Der Fotograf konnte heute nur jeweils zum Rundenbeginn auf Motivjagd gehen. Die entscheidende Stelle dieser Partie erwischte er aber doch (siehe Foto rechts).
Joachims einziger Verfolger mit 4½ Punkten blieb jetzt überraschend Jan! Dass er in den beiden letzten Runden noch Niederlagen einstecken musste, lässt ihn in der Tabelle brutal abrutschen (Platz 13), schmälert aber das großartige Turnier überhaupt nicht. Mit je vier Punkten lagen weitere elf Spieler in Lauerstellung.

In Runde 6 setzten sich die Favoriten an den vorderen Brettern durch, so dass Joachim nun einen komfortablen Vorsprung von einem ganzen Punkt hatte. Kai, Justin und Thore waren seine verbliebenen Verfolger.

Dramatische Zuspitzung in der Schlussrunde

Bild Bild Natürlich spielte Joachim nicht auf "halten". Er wollte das Turnier mit makelloser Bilanz über die Bühne bringen, was in all den Jahren bisher nur drei Siegern gelungen war. Lief da nicht auch eine Wette mit Coco? Doch eine einzige Unachtsamkeit wurde "teuer".
Im Diagramm links außen sehen wir, dass Joachim mit Weiß gerade in einen klassischen Damenfang gelaufen ist. Schöner Sieg also für Thore. Er kam zu Turnierbeginn übrigens direkt aus einer vierstündigen Mathe-Klausur – offenbar eine sehr empfehlenswerte Turniervorbereitung…

Was nun? Blicken wir aufs Nebenbrett. Dort steht Kai mit Schwarz nach der Eröffnung gegen den jüngsten Turnierteilnehmer "auf Abriss". Wenn er diese Partie verliert, erleben wir eine unglaubliche Zuspitzung in der Geschichte unserer Turniere: Thore und "Jogi" wären in allen Feinwertungen gleichauf gewesen, einen halben Buchholzpunkt vor Schachzwerg Justin. Doch Kai konnte sich aus der misslichen Stellung befreien, fand selbst einen taktischen Angriffsschlag und beendete das Turnier mit einem attraktiven Mattbild (siehe Diagramm links innen).

Damit hatten wir drei punktgleiche Spitzenreiter – neben dem nominellen Favoriten zwei Abiturienten im letzten Herderschachjahr. Die Buchholz-Wertung sprach dann das entscheidende Wort zu Gunsten von Kai Tonke. Der Jugendsprecher (und Vereinspokalsieger) der Schachfreunde Siemensstadt krönt damit eine eindrucksvolle Schulschachkarriere, die wir acht Jahre lang begleiten durften. Für einen umfassenden Rückblick ist sicher noch im Rahmen der WK-II-Saison Gelegenheit. Hier sei nur hervorgehoben, dass Kai aktuell die jüngere Gruppe der fortgeschrittenen Spieler unserer AG trainiert, aus der auch schon einige erfolgreiche Open-Ergebnisse zu vermelden sind.

"Alt und Jung" in der Spitzengruppe

Der Blick auf die nächsten Plätze gibt Zeugnis vom hohen Spielniveau im Hause Herderschach. Insbesondere unsere beiden ganz jungen Mega-Talente machten erneut auf sich aufmerksam: Justin und Leonhard auf den Plätzen 6 und 8 garantieren eine lückenlose Übergabe des Staffelstabs an die nächste Herderschach-Generation.
Unter die erwarteten Namen in der Spitzengruppe mischt sich auf Platz 4 noch Duc Minh. Nach wenig Spielpraxis in letzter Zeit war dies ein starkes Comeback, das hoffentlich wieder Lust auf mehr gemacht hat.

In der erweiterten Spitzengruppe finden wir naturgemäß die Spieler mit der größeren Turniererfahrung und der weitergehenden Ausbildung in den Berliner Schachvereinen. Wir wissen aber auch, dass viele Namen, die heute noch keine ganz große Aufmerksamkeit erregen konnten, schon bald in dieser Tabellenregion auftauchen werden.

Bild Große und kleine Schritte voran

Längst nicht jeder Spieler kann an dieser Stelle gewürdigt werden. Es sind Momentaufnahmen, Eindrücke des Turnierleiters und Zitate (nicht alle sind homepage-fähig), die im Gedächtnis bleiben.

Sehr gefreut habe ich mich mit Cosmo (auf dem Bild ist er hinten links zu erkennen, vorn Evan gegen Maxim) über sein bislang bestes Turnier. Endlich hat er sein Können auch im Wettkampf zur Geltung gebracht. Das Wort "endlich" vernahm ich auch aus dem Munde von Joaquin, als er nach fünf Niederlagen noch zwei Siege folgen ließ. Wir erkennen auch abseits der Turniertabellen an, wer sich über einen langen Zeitraum in der Schach-AG ausdauernd um Fortschritte bemüht!

Lio (gutes Ergebnis mit vier Punkten) gewann in Runde 2 gegen Jonathan und beide erinnerten sich danach, dass "Johnny" in Lios erstem Herderschach-Jahr dessen Trainer gewesen war. Ja – wenn einen die eigenen Schüler überholen, ist es ein merkwürdiges, aber doch schönes Gefühl.

Schauen wir nach jüngeren Spielern mit mindestens 50% der Punkte, so fallen uns noch Ruben, Zishuo, Yoel und Mariia auf. Mariia war heute die stärkste Spielerin im Feld und wird auch noch aus einem anderen Grund zu erwähnen sein.

Nicht alle Spieler konnten an diesem Nachmittag ihre selbst gesteckten Ziele erreichen. Selbst ein Pokalgewinn in Berliner Jugendturnieren ist im Hause Herderschach kein Garant für einen vorderen Platz.

Bild Familienbande

Über schachspielende Geschwister könnte man wohl ein eigenes Kapitel im Herderschach-Geschichtsbuch schreiben. Heute hatten gleich elf Spieler ihren Bruder oder ihre Schwester mit am Start. Den ganz großen Coup der Tham-Brüder (Doppelsieg 2017 und zwei Medaillen schon 2016) konnten sie zwar nicht wiederholen, aber interessante Aspekte gab es auch diesmal. Bei den Familien Borodulin, Wang und Popov hielt der jeweils ältere Bruder dem Ansturm des jüngeren (noch) stand.
Das Khutko-Trio präsentierte sich geschlossen stark auf den Plätzen 12, 15 und 16. Dabei ließen Maxim (zuletzt ja auch sehr stark in der Vereinsmannschaft) und Peter ihren großen Bruder aber buchstäblich "alt aussehen".
Verkehrte Welt schließlich im Hause Fedorov: Kaum zu glauben, aber Mariia (Foto rechts) hat es geschafft, einen halben Punkt vor dem sechs Jahre älteren Bruder zu bleiben, der dennoch große Freude an seinem Schach-Comeback hatte. Immerhin gehörte Fedir lange zur Spitzengruppe und verlor erst zum Schluss dreimal gegen Top-Gegner.

Bild Ein Novum bei den Zusatzspielen

Bevor wir auf die beliebten Zusatzspiele – das Salz in der Suppe beim Weihnachtsturnier – schauen, seien noch die Klassensieger gewürdigt. Dass in Klasse 5 Justin knapp vorn lag, hat man schon dem Text entnommen. Bester Sechstklässler war Zishuo (bitte das nächste Open nicht auslassen!). In Klasse 7 gewann Peter, der schon als Viertklässler vor drei Jahren die Wertung für die damalige Klasse 5 gewonnen hat. In der höchsten extra gewerteten Klassenstufe setzte sich schließlich Viktor knapp gegen seine Vereinskameraden Jan und Juri durch.

Es gilt von einem weiteren Novum zu berichten. Erstmals gewinnt ein junger Spieler sowohl das Schätz- als auch das Einsteigerspiel. In beiden Spielen musste man mit Zahlen umgehen können, sicher eine gewisse Kernkompetenz an einem MINT-Gymnasium.

Beim Einsteigerspiel – heute für Klassenstufen 5 und 6 – wurde jedem Buchstaben seine Position im Alphabet als Zahl zugeordnet und dann ein Wort entsprechend umgeschlüsselt und aufsummiert. Es ging um das Wort "Herderschach". Durch Vorrechnen des Beispielwortes "Schach" hatten wir für pfiffige Köpfchen eine kleine Abkürzung eingebaut. Dass sich die Buchstaben von "SCHACH" auf die Zahl 42 (= die Antwort auf alle Fragen) addieren, ist sicher kein Zufall. Im Gesamtwort kam dann genau 100 heraus.
Recht lange und sehr konzentriert wurde gerechnet, bei Cord reichten die Finger nicht zum Durchzählen des Alphabets … Erst wenn man sich ganz sicher war, durfte man die Lösung nennen. So gab es kaum Fehlversuche, bevor der Sieger feststand.

Im Schätzspiel sollte man ermitteln, wie viele Partien der Spieler mit den meisten Einträgen in der aktuellen Mega-Database aufweist. Dass dies der amerikanische Großmeister Hikaru Nakamura ist, war vorgegeben, ebenso ein paar Eckdaten. Die Datenbank enthält etwa 9,8 Millionen Partien von gut 420 000 Spielern. Herr Binder liegt – wie einige Spieler erstaunt feststellten – mit 54 Partien knapp über dem Durchschnitt. Von Nakamura sind gut sechseinhalbtausend Partien erfasst. Der Sieger kam dieser Zahl recht nahe. Wie allerdings Schätzungen von Null bis zu zweistelligen Millionen aufkommen konnten, muss ich jetzt nicht verstehen.

Bleibt noch das Geheimnis des historisch ersten Doppelsiegers zu lüften: Konstantin Borodulin (Foto links) aus Klassenstufe 6 war in beiden Wettbewerben ganz vorn.

Gar nicht so recht in Fahrt kam man allerdings heute beim Würfeln. Zur Erinnerung: Man muss gegen einen (nach Schulklasse) älteren Spieler gewinnen und darf dann um einen Zusatzpreis würfeln. Siege der Jüngeren gab es zuhauf. Doch das Würfelglück war uns nur in sechs Fällen hold – gleich zweimal für Joachim. Der einsame Rekord von Nam Tham (sechs Siege gegen Ältere und viermal Würfelglück) bleibt unangetastet. OK – es muss ja auch noch Herausforderungen für 2023 geben.

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Die Sieger der Klassenstufen 5 bis 8 Der Sieger im Schätzspiel und die Top-3
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Auf eines blauen Vogels Schwingen (frei nach Reinhard Mey) Unsere WK-IV-Top-Spieler.
Ich habe mehrere Anläufe genommen, aber Leonhards Hand war immer im Weg.

Bericht und Fotos: Thomas Binder – Fotos der Siegerehrung: Aram Azarvash