Trainingsmaterial Nr. 5

Inhaltsverzeichnis

Glanzstücke der Schachgeschichte – Folge 3
Patt im Endspiel
Hausaufgabe
Schachlinks
Final Fun




  Glanzstücke der Schachgeschichte

Wir setzen unseren Streifzug durch denkwürdige Partien und Kombinationen fort.

Der Holländer Tim Krabbé hat auf seiner Homepage u.a. die 110 schönsten Züge der Schachgeschichte gesammelt. Natürlich ist dies eine sehr subjektive Beurteilung, aber es sind durchweg absolute Höhepunkte.
Auf Platz 3 führt er den uns schon bekannten Zug von Frank Marschall (Dg3).
Auf Platz 1 liegt ein sehr tiefgründiges Opfer des früheren Weltmeisters Spasski, über dessen Wert man streiten kann.

Aber auf Platz 2 führt er einen verblüffenden Zug von Alexej Schirow – einem Russen der jetzt in Spanien lebt.
Mit diesem Zug gewann er 1998 bei einem der stärksten Turniere aller Zeiten in Linares gegen den Bulgaren Topalow – ebenfalls einer der stärksten Spieler unserer Tage.
Es entstand ein Endspiel mit ungleichfarbigen Läufern – solche Endspiele sind oft Remis.
Topalow – Schirow, Linares 1998

Auch zwei Deutsche haben es in Krabbés Top-10 geschafft. Zum einen der Internationale Meister Günther Möhring (1936 – 2006), der in den 60er und 70er Jahren zur DDR-Nationalmannschaft gehörte. Zum anderen der aktuelle deutsche Nationalspieler Klaus Bischoff mit einem verblüffenden Damenopfer. Er bezwang damit den kubanischen Spitzenmann Nogueiras.
Bischoff – Nogueiras, Havanna 1998

Nun sehen wir uns noch die "Immergrüne Partie" an. Ebenso wie die uns schon bekannte "Unsterbliche Partie" wurde sie von Adolf Anderssen gewonnen. Sein Gegner hier war Jean Dufresne (1829 – 1893), der unter anderem eines der ersten wirklich bedeutsamen Schachlehrbücher (eben den "Dufresne") geschrieben hat.
Gegen den stärksten Spieler seiner Zeit, kommt er aber sehenswert unter die Räder.
Ja – damals wurde noch ganz romantisch gespielt und geopfert. Heutige Computeranalysen bringen freilich gnadenlos jede Ungenauigkeit und Gegenchance zu Tage.
Aber solche Partien gehören einfach zur Schachgeschichte. Man wird sie auch in 100 oder 300 Jahren noch nachspielen, wenn viele der heutigen Großmeister längst vergessen sind.
Die immergrüne Schachpartie




  Patt im Endspiel

Oft ist das Patt eine überraschende Rettung für die materiell unterlegene Seite im Endspiel. Gerade wenn noch Damen auf dem Brett sind, muss man diese Gefahr beachten.
Wir werden auf dieses Thema später noch einmal eingehen – heute einige typische Beispiele zum Einstieg.

Zunächst eine berühmte Studie aus dem Jahre 1895. Sie wurde von J. Barbier veröffentlicht, der damit eine Remis-Chance durch Patt demonstrieren wollte.
Studie von Barbier, 1895
Soweit – so gut. Aber der Spanier Saavedra entdeckte, dass die Sache einen Haken hat und korrigierte die Studie 1902.
Versucht bitte zunächst selbst zu finden, wie Weiß gegen Ende der Zugfolge doch noch gewinnen konnte.
Studie von Saavedra, 1902

Im ersten Partiebeispiel sehen wir 2 absolute Weltklassespieler: Herman Pilnik (geb. 1914) und Samuel Reshewsky (1911 – 1992). Vor allem letzterer gehörte von den 30er bis 50er Jahren zur Elite des Weltschachs. Hier aber erleben wir ihn in einem seiner schwächeren Momente. Die Partie wurde 1942 in der USA-Meisterschaft gespielt.
Pilnik – Reshewsky, 1942
Vielleicht hätte er diesen Trick rechtzeitig erkannt, wenn er sich folgender alter Studie des Italieners Ponziani (1719 – 1796) erinnert hätte. Es ist nämlich alles schon mal dagewesen.
Studie von Ponziani, 1782

Manchmal muss man sich die Pattchance erst dadurch erarbeiten, dass alle störenden Figuren geopfert werden.
Dazu gibt es sehr komplexe Beispiele. Unsere abschließende Stellung ist eher noch einfach zu nennen. Sie stammt aus einer Partie Einik – Eiffel aus dem Jahre 1957. Über beide Spieler ist mir nichts bekannt und ohne diese lehrreiche Partie wären sie völlig vergessen.
Ja – im Schach kann es auch der Durchschnittsspieler zu bleibender Erinnerung bringen.
Einik – Eiffel, 1957




  Hausaufgabe

Hier zunächst die Lösung der Aufgabe aus Trainingsmaterial Nr.3
Mit dem Zug 41. Da8 konnte Weiß die Unbeweglichkeit der schwarzen Figuren ausnutzen. Gegen den Schwenk zum anderen Flügel mit Mattdrohungen in allen Varianten gibt es keine brauchbare Abwehr.
Die Partie wurde zwar anders fortgesetzt, nahm aber auch ein Happy-End.
Binder – Jentsch, Bad Salzdetfurth 1994


Und hier nun die neue Aufgabe:
Sie stammt aus einem Testbuch mit Antworten im Multiple-Choice-Verfahren.
Hier zunächst die Aufgabe, Weiß am Zuge.
Und das sind die möglichen Antworten:

  1. In einer verlorenen Stellung kann Weiß noch eine letzte Falle stellen.
  2. Weiß erreicht ein Remis.
  3. Es ist für Weiß am besten, gleich aufzugeben.

Aber wir sind hier ja nicht beim Fernseh-Quiz, wo es reicht einen der Buchstaben zu nennen.
Deshalb ist die Antwort bitte zu begründen.




  Schachlinks

Und hier wieder der Hinweis auf eine Reihe interessanter Seiten im Internet!
Zum Öffnen der Seiten bitte immer den Text im linken Tabellenfeld anklicken.

URL Erklärung
CSS Homepage der Online-Zeitschrift "Computerschach und Spiele" mit interessanten Infos zum Computerschach
Kaissiber Diese Zeitschrift beschäftigt sich vorwiegend mit Randbereichen der Eröffnungstheorie, Schachgeschichte und Computerschach.
Leider erscheint sie recht unregelmäßig.
TWIC "The week in chess" ist eine tagesaktuelle Informationsquelle zum internationalen Wettkampfschach – von den Top-Turnieren der Weltklasse bis zu den asiatischen Kindermeisterschaften.
Wöchentlich erscheint sie außerdem als Magazin mit vielen Tabellen und Partien. ENGLISCH!
Chessgate Deutschsprachige aktuelle Schachnachrichten



  Final Fun

Nun – diesmal ist der Spaß etwas einseitig, wie wir gleich sehen werden.
Aber es ist kaum zu glauben, wie oft Partien aufgegeben werden, die noch zu verteidigen oder gar klar gewonnen waren.
Tim Krabbé hat auf seiner Homepage eine beeindruckende Sammlung solcher Fälle zusammengetragen und Klaus Trautmann hat darüber ein ganzes Buch mit dem treffenden Titel "Der letzte Fehler – 128 irrtümlich aufgegebene Schachpartien" geschrieben.
Oft ist es eine Schrecksekunde, die den betreffenden Spieler eines klaren Gedankens beraubt – das kann auch für uns lehrreich sein.
Hier nun das berühmteste Beispiel zu unserem Thema. Leidtragender ist der bekannte österreichische Meister Georg Marco (1863 – 1923), den dieses Schicksal im Weltklasse-Turnier 1902 in Monte Carlo gegen den Polen Ignatz von Popiel (1863 – 1941) ereilte.
v. Popiel – Marco, Monte Carlo 1902

Zu diesem Thema noch eine kleine Anekdote:
Edith Keller-Herrmann – die einzige Weltklassespielerin, die Deutschland je hatte – verlor 1943 bei der Deutschen Meisterschaft eine entscheidende Partie gegen Frau Schlemmer auf ebenso unglückliche Weise.
In der betreffenden Stellung stand Fräulein Keller trotz Minusfigur auf Gewinn, was sie aber selbst nicht erkannte. Die Gegnerin hingegen hatte die Situation schon richtig eingeschätzt und wusste, dass es schlecht um sie stand. Doch Edith Keller resignierte und murmelte vor sich hin: "Es ist aus!". Frau Schlemmer bezog dies auf ihre eigene Stellung, wollte aber doch noch nicht aufgeben. So antwortete sie förmlich "Naja ein paar Züge möchte ich noch machen." Darauf nun wieder die erstaunte Edith Keller: "Nein, nein – ich gebe auf."

Merke: Durch Aufgeben wurde noch nie eine Partie gewonnen.




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Thomas Binder, 2003