Trainingsmaterial Nr. 10

Inhaltsverzeichnis

Eröffnungsfallen und Kurzpartien – Folge 9
Polygamie auf dem Schachbrett
Hausaufgabe
Eröffnung intensiv
Schachlinks
Final Fun




  Kurzpartien – Heute: Die "kurze" Diagonale

Auch heute sehen wir uns einige Kurzpartien an, die durch einen schweren Fehler entschieden wurden.

Oft gelingt es, mit dem Läufer oder der Dame auf einer "kurzen" Diagonale gegen den König ein Matt oder einen anderweitig entscheidenden Angriff durchzusetzen.
Dem geht meist eine entscheidende Schwächung von Feldern der betreffenden Farbe durch den Verteidiger voraus. Die heutigen Beispiele erklären sich weitgehend selbst.

Die erste Partie wurde 1891 als Fernpartie zwischen den britischen Städten Cardiff und Bristol gespielt.
Cardiff – Bristol, 1891

Hier nun eine Partie aus den USA.
Pratt – Korkenblad, 1965

Recht lehrreich ist auch die folgende Partie:
Taranin – Subkow, Sowjetunion 1972

Sehr klar sehen wir das Angriffsmotiv auch in diesem Beispiel:
Springe – Gebhard, München 1927

Einen putzigen Schluss hat die folgende Partie. Weiß kann wählen, ob er mit der Dame (nach Läufertausch) oder mit dem Läufer (nach Damenopfer!) auf h6 mattsetzen will.
Eliaschew – Molnar, Kopenhagen 1948

Ein eigenständiges Motiv ist das sogenannte "Boden-Matt", benannt nach dem Sieger der folgenden berühmten Partie, dem englischen Meister Samuel Boden (1826 – 1882).
Schulder – Boden, London 1860

Sehr schön nutzt Weiß hier die Schwäche der schwarzen Felder um den gegnerischen König.
Kutschumow – Gerassin, Sowjetunion 1983

Zum Schluss eine bekannte Falle aus der Holländischen Verteidigung.
Pokorny – Novak, Prag 1986




  Polygamie auf dem Schachbrett

Im richtigen Leben gilt das gleichzeitige Spiel mit mehreren Damen ja als wenig fein, auf dem Schachbrett hingegen führt es zu hochinteressanten Partien. Auch Tim Krabbé widmet diesem Thema ein ganzes Kapitel seiner Homepage.
Andererseits führte die Schach-Polygamie auch zu einer kuriosen Rekordjagd bei der man nicht jede veröffentlichte Partie ernst nehmen darf.

Als Rekord gilt eine Partie von 1965 aus Australien mit 7 Damen in der Schlussstellung. Sie ist aber mit Sicherheit konstruiert und stammt nicht aus dem Wettkampfschach.
Sumpter – King, Australien 1965

Die einzig überlieferte Partie mit 7 Damen ist also ziemlich wertlos. Wo liegt dann der Rekord?
Nun: Mit Sicherheit gibt es einige seriöse Partien mit 5 Damen auf dem Brett (s. unten).
Ob der Rekord aber doch bei 6 Damen liegt, ist nicht ganz sicher. Es gibt eine Partie aus einer seriösen russischen Schachzeitschrift, doch leider ist nur der Schluss veröffentlicht und nicht die gesamte Partie. Da schöpft man natürlich wieder den Verdacht, es könne nicht mit rechten Dingen zugehen.
Nesis – Koschnitzki, Sowjetunion 1960

Den Rekord kann also offenbar eine der zahlreicheren Partien mit 5 Damen beanspruchen.
Tim Krabbé bewertet als Tie-Break sozusagen die Dauer, wie lange diese 5 Damen auf dem Brett bleiben. In der Rekordpartie sind das immerhin 9 Halbzüge.
Der Sieger ist Großmeister Maksimenko aus der Ukraine, sein Gegner ein jugoslawischer FIDE-Meister.
Mackic – Maksimenko, Jugoslawien 1994

Sollte jemand aus Schachbüchern die berühmte 5-Damen-Partie kennen, die mit dem Namen des Weltmeisters Alexander Aljechin verbunden ist, so sei gesagt, dass diese Stellung

  1. nur eine Variante zu einer echten Partie ist, also nie gespielt wurde.
  2. die dahinter stehenden Analysen reichlich fehlerhaft waren.

Und wie sieht es in meinen eigenen Partien aus?
Nun, in mehr als 20 Jahren Turniererfahrung habe ich bisher ein einziges Mal eine Stellung mit 4 Damen (je 2) auf dem Brett gehabt. Die Partie ist ziemlich fehlerhaft und nicht vorzeigbar. Zur Krönung konnte ich am Ende eine Dame opfern und mein Gegner "glaubte" mir in Zeitnot, dass dies zum Dauerschach reicht. Er hätte indes leicht gewinnen können.




  Hausaufgabe

Wir lösen jetzt die Aufgabe aus Training Nr. 8 auf.

Der weiße Angriff sieht in jeder Phase überzeugend aus. Aber im 19. Zug brach ich alle Brücken hinter mir ab. Das hätte mein Gegner mit einem überraschenden Damenopfer bestrafen können. Da ich dieses Opfer nicht vernünftig ablehnen kann, erhält er einen unaufhaltbaren Freibauern und holt sich so die Dame zurück. Wenn sich der Rauch des Kampfes verzogen hat, steht Schwarz mindestens mit einer Mehrfigur da.
Auflösung zum Training Nr. 8

Korrektur: Die vorstehende Analyse ist sicher unter den praktischen Bedingungen des Wettkampfes korrekt. Die Chancen von Schwarz sind auf jeden Fall besser, als sein völlig aussichtsloses Spiel in der Partie.
Dennoch ist auch nach dem ideenreichen Damenopfer die Stellung für Weiß gewonnen. Unter einer wahren Orgie weiterer Opfer nutzen die wenigen verbleibenden weißen Figuren die schlechte Koordination des Gegners aus und erzwingen immer das Matt.
Ich danke unserem Leser Heinz Hinrichs, der mich auf diese verborgenen Möglichkeiten aufmerksam machte.
Korrektur nach Ideen von Heinz Hinrichs


Und hier nun die neue Aufgabe für dieses Mal.

Sie beschäftigt sich mit einer Partie aus dem Interzonenturnier (= Qualifikation zur Weltmeisterschaft) in Schweden 1952. Wir sehen also 2 absolute Weltklassespieler jener Tage: den Schweden Gösta Stolz (1904 – 1963), der gemeinsam mit 2 Landsleuten die wohl erfolgreichste Phase des schwedischen Schachs überhaupt verkörperte und den aus Deutschland stammenden, jedoch früh nach Argentinien ausgewanderten Herman Pilnik (1914 – 1981).
Pilnik ließ in dieser Partie zweimal sehenswerte Gewinnzüge aus und begnügte sich mit dem Remis.
Am Ende des Turniers belegten beide Spieler übrigens Plätze im Mittelfeld.

  1. Schwarz hat im 38. Zug verschiedene Gewinnfortsetzungen. Neben der Partiefortsetzung, die wir im 2. Teil der Aufgabe sehen sollte man noch mindestens einen zwingenden Gewinnweg finden.
    Stellung im 38. Zug
  2. Auch in der Schlussstellung (in welcher man sich auf Remis einigte), konnte Schwarz noch effektvoll und zwingend gewinnen.
    Stellung im 41. Zug



  Eröffnung intensiv

Mit dieser Ausgabe beginne ich, einzelne Eröffnungsvarianten genauer zu beleuchten.
Natürlich würde eine umfassende Darstellung den Rahmen dieses Materials sprengen. Ich beschränke mich daher auf ausgewählte Varianten und auch dort auf bestimmte wesentliche Aspekte.
Man kann sicher nur über Eröffnungen schreiben, die man selbst spielt. Daher ist die Auswahl sehr subjektiv.
Den Anfang machen wir mit dem Skandinavischen Gambit, wobei das Augenmerk auf einer Nebenvariante liegt, mit der ich gute Erfahrungen machen konnte.

Das Material dazu liegt in einem eigenen Dokument:
Material zum Skandinavischen Gambit

Hinweis:Wer weder Zeit noch Lust hat, das anspruchsvolle Material durchzuarbeiten, sollte sich zumindest die Partie am Ende des Dokuments anschauen. Sie ist sehr unterhaltsam.




  Schachlinks

Und hier wieder der Hinweis auf einige interessante Seiten im Internet!
Zum Öffnen der Seiten bitte immer den Text im linken Tabellenfeld anklicken.

URL Erklärung
Harald Ballo Harald Ballo ist ein bekannter Schachhistoriker und -forscher. Seine "Schach-Zettel" sind interessante Kurz-Artikel, die auch in verschiedenen Zeitschriften veröffentlicht werden.
Endspiel-Training Online-Möglichkeit zum Üben einfacher Endspiele.
Schachportal Eine der umfassendsten und bestkommentierten Link-Sammlungen zum Thema Schach.
Wie jede Linksammlung hat auch diese natürlich mit dem Problem der Aktualität zu kämpfen.



  Final Fun

Immer wieder lese ich den folgenden Text gern: Im Jahre – man lese und staune – 1467 luden die Schachspieler aus Heidelberg ihre Kontrahenten aus Nördlingen zum Wettkampf ein. Dies ist sozusagen die erste erhaltene Turnierausschreibung der Schachgeschichte. In den köstlich zu lesenden Formulierungen findet sich schon fast alles geregelt, was auch heute zu einem guten Turnier gehört. Ich füge eigene Anmerkungen kursiv ein.

"Den ehrsamen, weisen, unsern besondern und guten Freunden: dem Bürgermeister, Rat und Gemeinde zu Nördlingen entbieten wir die Gesellschaft des Schaffzabelspiels (eine von mehreren damals üblichen Bezeichnungen) zu Heidelberg, unsern freundlichen willigen Dienst und alles Gute zuvor.
Wir tun Euch zu wissen, dass wir von dem durchlauchtigen hochgeborenen Fürsten und Herrn: Friedrich, Pfalzgrafen bei Rhein, Herzog in Bayern, des heiligen römischen Reiches Erztruchseß und Kurfürst, unserm gnädigen, lieben Herrn (Auch heute geht oft noch viel Platz für die Nennung der Sponsoren drauf…), erworben haben eine Gesellschaft und ein Schaffzabelspiel vorzunehmen und darin mit seinen Gnaden (Der Fürst spielt also selbst mit.), mit Euch und andern guten Freunden und Gesellen zu üben.
Und von denselben seinen fürstlichen Gnaden haben wir erlangt, dass seine Gnade zum Voraus ein Kleinod oder 22 Gulden Wert dazu geben, (Es gab also Geld- und Sachpreise.) auch dass sie denen, die also zu dem Schaffzabelspiel kommen und um das Kleinod ziehen werden, Futter und Mahle die Zeit über, die das Spiel währen wird, geben (Kostenlose Verpflegung gibt's heute nur für Großmeister.) und auch allen denselben in seiner Gnaden Land und Gebieten seiner Gnaden sicheres Geleit in einem besonderen Brief zuschicken will. (Oft scheitern heute noch Turnierstarts am fehlenden Visum.)
Demnach bitten wir Euch mit freundlichem Ernst, Ihr wollet auch denjenigen in Eurer Stadt, sie seien edel oder unedel, die Schaffzabelspiel und gute Gesellschaft pflegen und üben wollen, solches offenbaren und auch Euren Nachbarn bei Euch herum zu wissen tun, dass sie sich her gen Heidelberg verfügen, auf den nächsten St.Matthäustag (21. September) hier zu sein, um auf den andern Tag eins zu werden, wie es mit dem Ziehen gehalten werden soll. (Man brauchte also noch eine Abstimmung über die Regeln des Turniers.) Wie dann die Gesellen, die ziehen wollen sich miteinander vereinen, sämtliche oder der größere Teil (also einstimmig oder mit Mehrheit beschlossen), das soll also geschehen und auf denselben Tag anfangen.
Und zu den Kleinoden, die unser gnädiger Herr zum voraus geben wird, soll von einem jeglichen Zieher ein Gulden eingelegt werden oder mehr, wie sich des die Gesellen oder der größere Teil miteinander vertragen. (Startgeld war also auch schon zu zahlen. Die Höhe wurde ausgehandelt.) Und was man also eingelegt, soll man zu Gaben machen (= Startgeld wird als Preisgeld wieder ausgeschüttet.), so dass möglichst viele Gaben daraus werden mögen, auf dass nicht allein die Meister, sondern auch die Mittelmäßigen und andere Gewinner auch zu Gewinnen und Gaben kommen mögen. (Noch heute gibt es z. B. gesonderte Jugendpreise, DWZ-Gruppen usw.)
Und wollet zu solchem Abenteuer und Spiel nicht ausbleiben, auf dass ihr unserm gnädigen Herrn Euern guten Willen dazu beweiset. Das wollen wir zur Beweisung guter Gesellschaft freundlich und williglich gern verdienen.
Gegeben und versiegelt unter unseren Diethers von Wilar, Marschalls usw., Hansen von Bubenhofen und Konrads von Lamersheim, Insiegeln von unser aller wegen auf Montag nach Assumptionis Mariae (Mariae Himmelfahrt, 15. August) anno domini 1467."

Im Zeitalter von Internet, Email und Fax sehnt man sich manchmal nach solchen Einladungen…




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Thomas Binder, 2003