Trainingsmaterial Nr. 19

Inhaltsverzeichnis

Glanzstücke der Schachgeschichte – Folge 7
Rekorde im Schach – Folge 5
Hausaufgabe
Endspiel intensiv – Folge 4
Was ist eigentlich …?
Elementare Matts – Folge 1
Final Fun




  Glanzstücke der Schachgeschichte

Unter den vielen "Partien des Jahrhunderts" möchte ich heute zunächst eine selten gesehene Perle vorstellen. Der Webmaster von www.benoni.de hat sie zu seinem "Zug des Jahrhunderts" erkoren.
Es ist schon eine tolle Sache: Weiß erzwingt mit einer mehrzügigen Kombination ein Matt, ohne ein einziges Schach zu geben, ja besonders der Eröffnungszug ist überraschend, opfert Weiß doch einen ganzen Turm und lässt diesen auch noch mit Schach schlagen.
Hier die Kombination: Benvenutti – Adorni, Italien 1910

Der Amerikaner Paul Morphy (1837 – 1884) ist die prägende Schachgestalt seiner Zeit. Er war wohl der erste, der als "Wunderkind" von sich reden machte. Schon als 10jähriger war er stärkster Spieler seiner Stadt, vom 12jährigen Morphy ist eine eindrucksvolle Blindpartie (!) überliefert. Nachdem er in den USA alle Konkurrenten geschlagen hatte, reiste er für einige Zeit nach Europa und entthronte dort den inoffiziellen Weltmeister Anderssen.
Bald danach zog er sich vom ernsthaften Schachspiel zurück.
Es folgen 2 berühmte Partien, die charakteristisch für Morphys Angriffsspiel sind.
Paulsen – Morphy, New York 1857
Bird – Morphy, London 1858




  Rekorde im Schach

Hier nun wieder ein paar skurrile Rekorde von der Homepage von Tim Krabbé.
Er untersucht auch Stellungen, in denen durch Bauernumwandlung eine Vielzahl gleichartiger Figuren auf dem Brett erscheint. Für die Damen haben wir uns diesem Thema bereits im 10. Training gewidmet.

Sehen wir jetzt eine Stellung mit 5 Türmen. Schwarz hätte zwar einfacher gewinnen können, aber immerhin war die Unterverwandlung Pflicht – eine Dame hätte zum Patt geführt.
Serper – Navrotescu, 1988

In einem hochkarätigen Turnier 1964 in Belgrad – es siegte der spätere Weltmeister Spasski – kam es zu einer längeren Phase mit 5 Springern zwischen dem Ungarn Szabo und dem Jugoslawen Ivkov.
Szabo – Ivkov, Belgrad 1964
In diesem Zusammenhang ist auch die folgende Partie aus der jugoslawischen Damen-Meisterschaft 1985 interessant.
Vujic – Petrovic, Jugoslawien 1985

Kommen wir zu den Bauern und suchen die Stellung mit den meisten Freibauern: In einer Partie der beiden späteren Weltmeister Smyslow und Botwinnik kam es zu einer Stellung mit 9 Freibauern, wenn auch mit einem kleinen Schönheitsfehler.
Smyslow – Botwinnik, Sowjetunion 1941
Zieht man die Definition des Freibauern etwas enger, hält die folgende Partie den Rekord mit 8 Freibauern.
Short – Gelfand, Brüssel 1991




  Hausaufgabe

Wir lösen jetzt die Aufgabe aus Training Nr. 17 auf.

Sie bestand aus 3 Szenen der Mannschaftspartie Binder – Schulze, Berlin 2003.
Lösung zu Teil 1
Lösung zu Teil 2
Lösung zu Teil 3


Und hier nun die neue Aufgabe für dieses Mal.
Wir sehen eine interessante Partie aus der Berliner Einzelmeisterschaft U14 im Jahre 2004.
In dieser Partie hat Schwarz mehrmals sehr schöne und sofort entscheidende Gewinnmöglichkeiten ausgelassen.
Versucht bitte, diese Stellen herauszufinden und die Gewinnvarianten anzugeben.
Spiess – Schmidt, Berlin 2004




  Endspiel intensiv
Verteidigung im Endspiel: "Turm gegen Turm und Bauer"

Dieser Endspieltyp ergibt sich recht häufig: Irgendwo geht im Laufe der Partie ein Bauer verloren, beide Spieler tauschen heftig Material ab und man findet sich in einem Endspiel mit je einem Turm und eben dem einen verbliebenen Bauern wieder.
Dieses Endspiel ist oft noch zu verteidigen, wenn man die richtigen Verfahren kennt. Sie sind mit den Namen der berühmten Endspiel-Theoretiker Philidor (1726 – 1795) und Karstedt (Anfang 20. Jahrhundert) verbunden.

Das Lehrmaterial dazu findet sich in einem eigenen Dokument. Es stammt im wesentlichen aus den Lehrbüchern von Juri Awerbach.
Lehrmaterial zum Turmendspiel (nach Awerbach)




  Was ist eigentlich … Blindschach???

Nun – eigentlich beantwortet sich die oben gestellte Frage von selbst: "Blindschach" ist Schach ohne Ansicht des Brettes. Man muss also den gesamten Verlauf der Partie im Kopf behalten und sich jeweils die aktuelle Position vorstellen können. Das ist eine enorme geistige Herausforderung. Der Trainingseffekt einer Blindpartie ist aber durchaus zu beachten. Wer es wirklich versuchen will, benötigt eine absolut ruhige Umgebung. Dann kann man sich dem Thema "Blindspiel" schrittweise nähern, z. B. indem man zunächst die Partie mitschreibt und diese Notation als Gedankenstütze verwendet.

Die Steigerung des Blindspiels ist das Blindsimultan also das Blindspiel gegen mehrere (sehende) Spieler zugleich. Früher wurden solche Veranstaltungen recht häufig durchgeführt und dienten dazu, dem staunenden Publikum die große Leistung des Meisters zu verdeutlichen. So nimmt es nicht Wunder, dass im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts fast alle Spitzenspieler (bis hin zu den Weltmeistern) als Blindsimultan-Spieler hervortraten. Einige frühe Großmeister haben sich auch besonders auf diese Vorführungen spezialisiert. Es brach eine regelrechte Rekordjagd um die höchste Zahl gleichzeitiger Blindpartien aus. Den aktuellen Rekord hält der ungarische Großmeister und Gedächtniskünstler Janos Flesch (1933 – 1983): 1960 spielte er 52 Partien Blindsimultan. Inzwischen ist das Blindsimultan etwas aus der Mode gekommen, was ich nicht wirklich für einen Verlust halte.

Viele Fachleute (auch Ärzte) halten das Blindspiel – zumindest aber Blindsimultan – für gesundheitsschädigend, weil das menschliche Gehirn dabei an den Rand seiner Leistungsfähigkeit getrieben wird. Die Beispiele einiger Meister, die diese Spielart intensiv betrieben haben, scheinen das zu bestätigen. Deshalb war Blindspiel in einigen Ländern (darunter der Sowjetunion) sogar zeitweise verboten.

Zum Abschluss ein paar Kostproben aus denkwürdigen Blind(simultan)-Veranstaltungen.
Zukertort – N.N., London 1880
Blackburne – N.N., Manchester 1874
Sämisch – Schlosser, 1924
Flesch – Hrumo, Budapest 1960
Man bedenke, dass die jeweiligen Sieger "blind" spielten!




  Elementare Matts

Beginnend mit dieser Trainingseinheit wollen wir uns in einer 3teiligen Folge die klassischen elementaren Mattsetzungen anschauen.
Beginnen wir mit den ganz einfachen Fällen:

Wir werden nicht immer den schnellsten Weg zum Matt suchen, sondern einen sicheren Weg, den man notfalls auch in höchster Zeitnot risikolos beschreiten kann.

Das Matt mit dem Turm ist nur am Brettrand möglich. König und Turm gemeinsam drängen den gegnerischen König dorthin ab. Wenn er keine weitere Fluchtreihe mehr findet, wird er matt gesetzt.
Matt mit dem Turm

Sehr einfach ist auch das Matt mit der Dame. Lediglich auf eine Pattgefahr muss man achten. Die Dame schafft es alleine, den König an den Brettrand zu drängen. Erst zum Mattsetzen wird der eigene König benötigt.
Matt mit der Dame




  Final Fun

Das große Schachturnier im englischen Scarborough 1930 erregt erhebliches öffentliches Interesse. Auch eine vornehme ältere Dame äussert den Wunsch, sich das Spektakel anzuschauen. Da es sich um ein entferntes Mitglied der königlichen Familie handelt, gibt man sich größte Mühe. Man begleitet die Lady von Brett zu Brett. Diese beäugt die teilnehmenden Meister und scheint sich sogar in die Partiestellungen zu vertiefen. Schließlich rauscht sie zum Ausgang und wendet sich huldvoll an den Turnierleiter: "Wirklich sehr schön! Aber eines muss ich Ihnen sagen: Ihre Uhren da drin gehen alle falsch!"

Da erinnere ich mich an einen Start beim Internationalen Turnier im saarländischen St. Ingbert. Es mag wohl 1992 gewesen sein. Das Turnier fand sogar Aufmerksamkeit des Lokalfernsehens vom Saarländischen Rundfunk. Nur hatte man einen Reporter und ein Kamerateam geschickt, die vom Schach nichts verstanden: Zunächst wollten sie unbedingt in Großaufnahme eine "interessante Stellung" zeigen. So stellten sie die Figuren wahllos auf ein Brett und fingen an zu drehen. Es fiel den Organisatoren sehr schwer, sie von diesem Unterfangen abzubringen und zu erklären, dass eine wirklich interessante Stellung anders aussehen sollte.
Dann wollten Sie einen Rundenbeginn nachspielen. Die Runden begannen um 10 Uhr. "Also stellen wir uns mal vor, es wäre jetzt 10 Uhr" sprach der Reporter, griff eine Schachuhr und stellte sie auf (erraten!) 10 Uhr. Der Schiedsrichter schritt ein und erklärte: "Ja wenn sie den Rundenbeginn filmen wollen, müssen wir die Schachuhr auf 3 Uhr stellen." – "Nein ich denke die Runde beginnt um 10 Uhr?" – "Ja, aber dann werden die Uhren auf 3 Uhr gestellt." … So ging es noch eine Weile weiter – und wenn sie nicht gestorben sind…
Schade, dass ich den Bericht im Fernsehen verpasst habe…




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Thomas Binder, 2004