Trainingsmaterial Nr. 21

Inhaltsverzeichnis

Einführung in die Schachstrategie – Folge 3
Informator-Symbole
Hausaufgabe
Elementare Matts – Folge 3
Was ist eigentlich …
Final Fun




  Einführung in die Schachstrategie

Wir setzen die Betrachtung wichtiger Strategie-Themen fort.
Heute geht es um Rückständige Bauern. Ebenso wie isolierte Bauern und Doppelbauern bilden sie oft eine ernsthafte Schwäche, mit der man große Probleme bekommen kann.

Was ist eigentlich ein rückständiger Bauer?
Wir bezeichnen damit einen Bauern, der 2 Bedingungen erfüllt:

Zwei Stellungsbilder sollen diese komplizierte Definition verdeutlichen. Beide zeigen uns einen rückständigen schwarzen Bauern auf d6 (in der Tat ein recht häufig vorkommendes Feld). Man möge sich bei dieser Gelegenheit verdeutlichen, warum jeweils nur dieser Bauer als "rückständig" zu bezeichnen ist.

Bild1 Bild2

Worin liegen nun die prinzipiellen Gesichtspunkte, beim Spiel gegen einen rückständigen Bauern?

Bevor wir uns einige Meisterpartien zu diesem Thema ansehen, verweise ich auf eigene Partien aus dem Stoff zum Morra-Gambit in Training Nr. 13. Gerade diese Eröffnung ist für die rückständigen Bauern auf der d-Linie bekannt. Man kann sich dazu vor allem die Partien Binder – Kreher und Binder – Springer ansehen.

Nun aber zu den Partien der wahren Meister:

Zunächst sehen wir eine Partie des späteren Weltmeisters Wassili Smyslow gegen Großmeister Arnold Denker. Sie wurde 1946 im Länderkampf Sowjetunion gegen USA gespielt.
Smyslow – Denker, Moskau 1946

Im nächsten Beispiel sehen wir einen Sieg des ungarischen Großmeisters Istvan Csom gegen den deutschen Großmeister Lothar Vogt, gespielt in Ost-Berlin 1979.
Csom – Vogt, Berlin 1979

Nun sehen wir einen Sieg des Großmeisters Wasjukow (Sowjetunion) gegen den ungarischen Großmeister Ribli, der in den 1980er Jahren zu den Weltmeister-Kandidaten gehörte.
Ribli – Wasjukow, Kuba 1974

Zum Schluss sehen wir das Duell zweier Weltmeister: Wassili Smyslow und Michail Botwinnik stehen sich hier in einer Partie der sowjetischen Meisterschaft 1955 gegenüber.
Smyslow – Botwinnik, Moskau 1955




  Informator-Symbole

In veröffentlichten Schachpartien findet man oft eine merkwürdige Zeichensprache, die sogenannten Informator-Symbole. Ich möchte hier die wichtigsten dieser Symbole und ihre Bedeutung vorstellen.
Diese Darstellung liegt in einem gesonderten Dokument:
Informator-Symbole




  Hausaufgabe

Wir lösen jetzt die Aufgabe aus Training Nr. 19 auf.

In der Partie aus einem Nachwuchsturnier ließ Schwarz an mindestens 3 Stellen den Gewinn aus. Zwei dieser Möglichkeiten konnten zu besonders effektvollen Angriffen führen.
Lösung der Aufgabe aus Nr. 19


Diesmal ist die Aufgabe etwas umfangreicher. Wir sehen 2 meiner Endspiele aus der Berliner Meisterschaft (Qualifikation) 2004.

Hier zunächst eine sehr interessante Stellung:
Binder – Rabajew, Berlin 2004
Zur Vorgeschichte dieser Stellung ist im Kommentar einiges gesagt.
Doch nun muss man ganz unvoreingenommen an die Behandlung dieses Endspiels herangehen. Nehmen wir uns diese Aufgabe in 3 Etappen vor:

  1. Zunächst wollen wir die Stellung (Weiß ist am Zuge) global bewerten. Um einen richtigen Plan zu finden, muss man ja schließlich zunächst wissen, auf welches Ziel man zusteuert:
    1. Weiß wird dieses Endspiel verlieren. Man kann zwar noch einige Tricks versuchen, aber am Ende wird Schwarz triumphieren.
    2. Die Stellung ist ausgeglichen. Weiß muss zwar sehr genau spielen, kann dann aber Remis halten.
    3. Weiß kann dieses Endspiel gewinnen.
  2. Als nächstes versuchen wir einen Plan zu finden, der das gestellte Ziel erreichen soll. Dabei geht es noch nicht um einzelne Züge sondern um die allgemeine Idee, wie man in dieser Stellung spielen soll.
  3. Schließlich sind konkrete Varianten gefragt. Wie konnte diese Partien von beiden Spielern folgerichtig fortgesetzt werden?

Die nächsten Aufgaben sind vergleichsweise einfach, doch auch hier ist sorgfältige Analyse und dann das Finden des richtigen Zuges gefragt.

Wir sehen 2 Szenen aus meiner Partie der letzten Runde, die einen recht turbulenten Verlauf nahm.
Nach einer klar gewonnenen Eröffnung stellte ich die zunächst gewonnene Qualität wieder ein und fand mich nach weiteren ungenauen Zügen in der hier zu sehenden hoffnungslosen Stellung wieder.
Binder – Muratovic, Berlin 2004
So wurde die Partie also fortgesetzt. Schwarz steht nun klar auf Gewinn, doch er hat einen wesentlich einfacheren Gewinnweg ausgelassen. Wo??

Im weiteren Verlauf der Partie hat Schwarz jedoch durch einen Fingerfehler ("Berührt – Geführt") einen Turm eingebüßt. Aber seine beiden verbundenen Bauern geben ihm auch jetzt noch einige Hoffnung.
Weiß ist am Zuge. Hier die Stellung:
Binder – Muratovic, Berlin 2004
Welche der folgenden Aussagen trifft zu?

  1. Weiß kann jetzt den Bauern g5 schlagen. Danach ist der materielle Vorteil so groß, dass Schwarz sofort aufgeben kann.
  2. Weiß gewinnt die Partie leicht, aber das sofortige Schlagen auf g5 wäre falsch.
  3. Die beiden verbundenen Freibauern reichen für Schwarz um Remis zu halten.
  4. Die beiden verbundenen Freibauern sind nicht aufzuhalten, Schwarz gewinnt.

Wähle also die richtige Aussage aus und gib eine sinnvolle Variante für die Fortsetzung der Partie an.




  Elementare Matts

Heute nun die "hohe Schule" des elementaren Mattsetzens: Wir sehen das Matt mit Läufer und Springer.
Selbst erfahrene Vereinsspieler haben davor einigen Respekt und tun sich schwer wenn sie wirklich gefordert sind, dieses Matt vorzuführen.

Das Mattverfahren zerfällt in 3 Etappen:

  1. Der König wird an den Brettrand gedrängt.
    1. Etappe
    Das Abdrängen an den Rand ist also gar nicht so schwer. Wenn man es optimal anstellt, wird der gegnerische König auch gleich in die richtige Ecke gedrängt.
    Man muss nur immer die Übersicht bewahren, die richtigen Felder abschneiden und darf nicht unruhig werden, wenn der König scheinbar einmal wieder näher in die Mitte kommt.
    Es lohnt unbedingt, hier auch alle Nebenvarianten anzuschauen.
  2. Der König wird in die Ecke gedrängt, welche der Läufer beherrscht.
    Was aber tun, wenn es dem König gelingt, sich zunächst in die ungefährliche Ecke zu stellen?
    2. Etappe – 1. Beispiel
    Auch hier sollte man versuchen, den Sinn jedes einzelnen Zuges zu verstehen. Dazu muss man sich immer wieder fragen: "Welche Felder schneidet der Zug ab? Welche Züge bleiben dem Gegner übrig?"
    Sehen wir dazu ein weiteres Beispiel:
    2. Etappe – 2. Beispiel
  3. Der König wird in der Ecke matt gesetzt.
    Wenn wir den König in die richtige Ecke getrieben haben, ist das eigentliche Mattsetzen nicht besonders schwierig.
    Fahren wir also den verdienten Lohn ein:
    3. Etappe

Die Mega-Database 2004, eine Sammlung von 2,6 Millionen Partien aus hochkarätigen Turnieren, zeigt gut 400 Partien mit diesem Endspiel. Immerhin in einem Viertel der Fälle, gelang es dem überlegenen Spieler unter Turnierstress nicht, seinen Gegner matt zu setzen. Unter den "Versagern" befinden sich sogar einige Großmeister.

Sehen wir uns zum Schluss 3 unkommentierte Beispiele mit unterschiedlichen Mattbildern an.
Padewski – Novoselski, Jugoslawien 1984
Gliksman – Brooks, Los Angeles 1992
Ljubojevic – Polgar, Monte Carlo 1994




  Was ist eigentlich …
Selbstmatt und Hilfsmatt

Hierbei handelt es sich um 2 besondere Formen von Schachaufgaben, wie man sie hin und wieder in Zeitschriften findet. Beide haben mit wirklichem Partieschach nicht viel zu tun. Aber die ganz andersartigen Forderungen, die dahinter stehen, erweitern unseren Horizont für das (Zusammen)wirken der Schachfiguren.

Hilfsmatt Beim Hilfsmatt beginnt Schwarz und hilft dem Weißen, den schwarzen König matt zu setzen. Das heißt, dass hier beide Seiten zusammenarbeiten um ein gemeinsames Ziel (Matt von Schwarz) zu erreichen.
Beispiel zum Hilfsmatt
Selbstmatt Beim Selbstmatt beginnt Weiß und zwingt Schwarz, ihn matt zu setzen. Schwarz wird sich gegen das Mattsetzen sträuben, aber am Ende nicht vermeiden können, seinen Gegner matt zu setzen.
Beispiel zum Selbstmatt



  Final Fun

Heute mal etwas für den Deutsch-Unterricht: Ein Schachgedicht

Die Meister

Ein Mensch sitzt da, ein schläfrig trüber,
ein andrer döst ihm gegenüber.
Sie reden nichts, sie stieren stumm.
Mein Gott – denkst Du – sind die zwei dumm!

Der eine brummt, wie nebenbei,
ganz langsam : Turm c6 – c2.
Der andre wird allmählich wach
und knurrt : Dame a3 – g3 S c h a c h!

Der erste, weiter nicht erregt,
starrt vor sich hin und überlegt.
Dann plötzlich, vor Erstaunen platt,
seufzt er ein einzig Wörtlein : M a t t!

Und die Du hieltst für niedre Geister,
erkennst Du jetzt als hohe Meister!

(Eugen Roth)




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Thomas Binder, 2004