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Das Rasenmäher-Matt
Glanzstücke der Schachgeschichte – Folge 15
Eröffnung intensiv – Folge 14
Training mit dem Computer – Folge 3
Rekorde im Schach – Folge 8
Nachschlag
Regelfragen – Folge 9
Der Begriff Rasenmäher-Matt ist im deutschen Sprachraum kaum verbreitet. Unsere englischen Freunde hingegen bezeichnen
als lawn-mower-mate ein Mattbild, bei dem sich die Schwerfiguren des Angreifers in der Tat aufführen, wie ein
alles hinweg räumendes Gerät.
Unter Damenopfer wird der König seines Schutzschildes beraubt und dann setzen die beiden Türme auf den Randlinien matt. In
einigen Fällen genügt sogar ein Turm, der dann von anderen Figuren unterstützt wird.
Sehen wir zur Verdeutlichung zunächst einige triviale Fälle.
Anton – Gaudineau, Frankreich 1990
Song – Harp, Australien 2003
Bewegten wir uns bis eben im Amateur- und Kinderbereich, so sind jetzt zwei hochkarätige Titelträger zu erleben.
Bologan – van Haastert, Italien 2005
Recht oft kommt es vor, dass die g-Linie im entscheidenden Moment durch einen Abzug freigelegt wird. Wir sehen den starken
Rumänen Adolf Albin (1847 – 1920) in Aktion.
Albin – Mortimer, New York 1894
Die folgende Großmeisterpartie ist besonders eindrucksvoll. Zeigt sie doch, dass man sich manchmal zur Vorbereitung des
Rasenmäher-Matts sogar einen stillen Zug leisten kann. Einerseits beruht dies auf der ungeheuren Stärke der Drohung,
andererseits ist eine solche Feinheit leicht zu übersehen.
Tkachiev – Watson, London 1993
Die nächsten beiden Beispiele zeigen sehr schön, welche ungeheure Menge an Material man zuweilen für dieses Matt opfern kann.
Fuderer – Nedeljkovic, Jugoslawien 1948
Pirisi – van Wely, Niederlande 1988
Die beiden vorigen Partien zeigten schon nicht das "reine" Rasenmäher-Matt. Auch in den nächsten Fällen treten andere Figuren
an die Stelle des g-Turms und produzieren effektvolle Mattbilder. Das taktische Auge muss auch solche Kombinationen erkennen.
Wir beschränken uns auf die Schlussbilder.
Gruber – Umancova, Tschechien 1998
Rajalakshmi – Priya, Indien 2002
Tim Krabbé hat einige bemerkenswerte Partien zusammengestellt, in denen selbst 2 Damen machtlos gegen die zahlenmäßig
unterlegene, aber besser koordinierte Streitmacht des Gegners sind. Besonders amüsant ist das folgende Beispiel aus einem
englischen Ligaspiel:
Thornton – Horrocks, Großbritannien 1984
War schon die Partie unterhaltsam genug, sei noch erwähnt, dass der Sieg dem Team von Mark Thornton den Mannschaftssieg und
später den Gewinn der Meisterschaft (mit diesem einem Punkt Vorsprung) einbrachte.
Eine geniale Kombination gelang dem jungen ägyptischen Großmeister Adly bei der Junioren-Weltmeisterschaft 2007, wo er
sich verdient den Titel sicherte.
Adly – Laznicka, Jerewan 2007
Diese Partie wird man sicher noch lange in den Taktik-Lehrbüchern finden.
Im folgenden klassischen Beispiel zeigt der oftmalige Schweizer Meister Hans Johner die scheinbar einfache, aber doch sehr
eindrucksvolle Verknüpfung verschiedener Kombinationsmotive. Auch mit reduziertem Material gelingt es ihm, die versteckten
Schwächen der gegnerischen Stellung zu nutzen.
Mandel – Johner, Schweiz 1930
Bei den Forschungen zur Geschichte meines eigenen Vereins stieß ich u.a. auf die folgende kräftige Opferkombination –
sozusagen die "Siemensstädter Unsterbliche".
Adeler – Choinatzky, Berlin 1937
Heute wenden wir uns einer faszinierenden Variante des Königsgambits zu: dem Muzio-Gambit. Es ist eine der wenigen
seriösen Eröffnungsvarianten, in denen man nicht nur einen Bauern sondern eine ganze Figur opfert. Man erlangt dafür zwar
keinen zwingenden Gewinn, wohl aber einen sehr deutlichen Entwicklungsvorsprung. Wenn man damit umzugehen weiß, steht eine
interessante Partie bevor.
Den konkreten Anlass für das heutige Thema boten mir zwei begeisternde Partien von Mannschaftskameraden, die ich unlängst
beobachten konnte. Sehen wir zur Einstimmung diese Partien:
Mejstrik – Junge, Berlin 2007
Hier sehen wir also einen engen Verwandten des Muzio-Gambits: das Ghulam-Kassim-Gambit. Unabhängig vom der genauen
Zugfolge ist diese Partie in ihrem Verlauf typisch für viele Beispiele aus der Turnierpraxis.
Aufschlussreich übrigens auch die Bemerkung des Siegers, er habe gelesen, man könne diese Eröffnungen gegen Spieler bis ELO
2300 eigentlich immer spielen.
Wenig später bot sich einem anderen Klubkameraden die Gelegenheit, diese Eröffnung gegen einen ca. 700 DWZ-Punkte "besseren"
Spieler auszuprobieren. Er spielte einen begeisternden Angriff, ließ aber leider eine Reihe guter Chancen aus. Dennoch zeigt
der Beginn dieser Partie, welche faszinierenden Möglichkeiten solche Eröffnungen gegen einen unvorbereiteten Gegner bieten.
Partiefragment zum Ghulam-Kassim-Gambit, Deutschland 2007
Das Trainingsmaterial zu den hier betrachteten Gambits befindet sich in einem eigenen Dokument:
Das Muzio-Gambit
In der dritten Folge wollen wir besprechen, wie man seine Partien in einer Datenbank speichern kann und welche
zusätzlichen Komfortfunktionen ein Datenbankprogramm bietet.
Das Trainingsmaterial befindet sich in einem eigenständigen Dokument:
Training mit Schachprogrammen – Folge 3
Nach längerer Zeit begeben wir uns wieder einmal auf die Jagd nach skurrilen Rekorden auf dem Schachbrett und in seiner
Umgebung.
Tim Krabbé veröffentlicht eine Partie aus Norwegen. Dort waren nach 50 Zügen alle Bauern getauscht, es standen
aber noch 11 Figuren auf dem Brett. Nie waren in einer praktischen Turnierpartie so viele Figuren verblieben, als alle
Bauern bereits das Brett verlassen hatten.
Die Partie hat auch schachlich einiges zu bieten. Vor allem gegen Ende des hier gezeigten Ausschnitts ist es eindrucksvoll,
wie mächtig die einzelnen Figuren werden, wenn ihnen keine Bauern im Wege stehen.
Greet – Lie, Norwegen 2007
Weiß konnte seinen Vorteil nicht nutzen. Die Partie endete nach weiteren 50 Zügen(!) remis.
An anderer Stelle untersucht Krabbé die seltensten Züge im Turnierschach. Er fand in einer Datenbank von ca. 1,5 Millionen Partien 4 Züge, die offenbar noch nie gespielt wurden:
Doch diese Erkenntnis ist inzwischen überholt. Sicher sind die vier genannten Züge extrem selten. Doch die aktuellen Datenbanken von Chessbase mit fast 4 Millionen Partien weisen zu allen vier Kandidaten jeweils ein bis drei Vorkommen im Turnierschach auf. Somit muss man wohl konstatieren, dass mittlerweile alle regelmöglichen Züge auch gespielt wurden. Lediglich einige spezielle Fälle der Unterverwandlung wurden wohl noch nicht gesehen.
Im Zusammenhang mit den oben genannten Läuferzügen verweisen Krabbé und der Mathematiker Christian Hesse auf ein
anderes interessantes Phänomen:
Die Läuferzüge von Ecke zu Ecke, sowie alle Königszüge entlang einer Brettseite (also etwa Kd1-e1 oder Ka4-a3) und aus einer
Ecke heraus (Kh1-g2) sind die einzigen Züge, mit denen man nie Schach bieten oder matt setzen kann. Das ist einfache Geometrie
und wer es nicht glaubt mag es gerne ausprobieren.
In Trainingseinheit 17 hatten wir die längste entschiedene Turnierpartie gesehen. Sie dauerte 193 Züge. Inzwischen
wurde dieser Rekord pulverisiert. Im Zeitalter von Bedenkzeiten mit ständiger Zeitzugabe und bei automatischer Aufzeichnung
der Züge (jedenfalls im Server-Schach) hat diese Bestleistung aber viel von ihrem Reiz verloren.
Unter den Bedingungen klassischer Bedenkzeit quälten sich die Schweden Smith und Burwick in einem
Mannschaftskampf ganze 196 Züge. Weiß hatte im 121. Zug mit einem Springeropfer die verschachtelte Stellung geöffnet, wurde
aber für diesen Mut nicht belohnt. Im 148. Zug ließ er eine Gewinnmöglichkeit und geriet dann auf die Verliererstraße.
In einer Schnellpartie bezwang die russische Großmeisterin Alexandra Kosteniuk den französischen Großmeister Fressinet
nach 237 Zügen. Allerdings hätte Fressinet schon gut 60 Züge zuvor Remis wegen der 50-Züge-Regel einfordern können. Warum er
dies nicht tat und schließlich mit Turm gegen Turm und Läufer noch verlor, blieb unklar. Die Bedenkzeit war übrigens so
geregelt, dass beide Spieler pro Zug 10 Sekunden Zuschlag erhielten.
Mittlerweile sind zehn (mehr oder weniger seriöse) Partien mit mindestens 200 Zügen bekannt. Bemerkenswert ist dabei, dass
der Lette Rausis und der Armenier Petrosjan mit je 2 Partien von mehr als 195 Zügen vertreten sind, letzterer allerdings
in Internet-Blitz-Partien. Zwei extrem lange Partien (237 bzw. 196 Züge) wurden in verschiedenen Turnieren am gleichen
Tag (21.10.2007) gespielt. Einen besonderen Rekord verbucht auch noch der bulgarische Großmeister Cheparinov:
Beim hochkarätigen Corus-Turnier in Holland spielte er 2005 an zwei aufeinanderfolgenden Tagen Partien von 155 bzw. 150
Zügen – 305 Züge in zwei Tagen sind gewiss auch eine Bestleistung.
Interessante Entdeckungen machte Krabbé auch zum Thema Bauernketten. Die folgenden Partien sind zumindest optisch
interessant.
Im ersten Beispiel sehen wir – zudem auf höchstem Spielniveau – wie Weiß mit einem Mehrturm chancenlos einer gegnerischen
Bauernwalze in V-Formation gegenüber steht.
Polgar – Bacrot, Frankreich 1999
Sehr reizvoll ist auch die Gegenüberstellung zweier langer Bauernketten in der folgenden Partie.
Cherniaev – Colure, New York 1993
Auch heute sehen wir wieder einige neue Beispiele zu Themen, die schon in früheren Trainingseinheiten besprochen wurden.
Wir wissen bereits, dass verlorene Endspiele oft noch die Möglichkeit einer Rettung durch Patt bieten. In den
Trainingseinheiten 5 und 35 haben wir entsprechende Beispiele gesehen. Auch die Jüngsten haben diese Lektion gelernt,
wie wir der Partie zweier 9jähriger Berliner Talente entnehmen.
Szajbely – Lerch, Berlin 2007
Aus Trainingseinheit 10 kennen wir das als Bodens Matt bekannte Motiv. Eine weitere bekannte Partie hierzu gewann der
peruanische Großmeister Esteban Canal (1896 – 1981) bei einer Simultanveranstaltung 1934 in Budapest. Die Partie ist auch unter dem
Namen "Peruanische Unsterbliche" bekannt.
Canal opfert darin beide Türme und die Dame, um mit den beiden Läufern mattzusetzen.
Canal – NN, Budapest 1934
Das Endspielkapitel aus Trainingseinheit 40 beschäftigte sich mit dem scheinbar trivialen Endspiel Turm gegen Läufer.
Wir haben dort die Gefahren kennengelernt, vor denen sich der Verteidiger in Acht nehmen muss.
Bei einem Turnier in Bulgarien sind nun gleich 2 namhafte Spieler (im zweiten Beispiel ein Großmeister) gestrauchelt.
Nach langer Verteidigung – und sicher auch in Zeitnot – kamen sie doch noch lehrreich unter die Räder.
Bonew – Jevtic, Bulgarien 2007
Welikow – Ermenkow, Bulgarien 2007
Und noch einmal dürfen wir etwas schadenfroh sein, haben doch mal wieder die Großmeister ein uns bekanntes und relativ einfaches
taktisches Motiv übersehen. Diesmal geht es um die Turm-Springer-Zange (siehe Trainingseinheit 35). Es geschah auf
höchstem Niveau beim Weltcup (= Weltmeisterschafts-Qualifikation) 2007.
Eljanow – Hossain, Russland 2007
Aus der 25. Trainingseinheit kennen wir das Motiv des Ablenkungsopfers. In einem Mannschaftskampf der Schachfreunde
Siemensstadt hätte sich der gegnerische Spieler in scheinbar verlorener Stellung mit einem solchen Opfer noch retten können.
Bockmayr – Geist, Berlin 2007
Jeder Mannschaftskampf im Schach besteht aus einer bestimmten Anzahl von Einzelpartien. Für jede dieser Partien gelten
selbstverständlich die uns vertrauten Spiel- und Verhaltensregeln.
Es gibt aber zusätzlich einige Besonderheiten zu beachten.
Bei Mannschaftskämpfen werden heutzutage meist die "Mannschaftspunkte" als primäre Wertung genutzt. Für den Gesamtsieg erhält
die Mannschaft 2 Punkte, bei einem Unentschieden beide Teams je einen Punkt. Zweite Wertung bei Punktgleichheit sind dann
die Brettpunkte – sozusagen das "Torverhältnis" der Schachspieler.
Gelegentlich werden bei der Berechnung des Gesamtergebnisses die Remispartien weggelassen. Es beeinflusst ja das Verhältnis
beider Mannschaften untereinander nicht. Wenn man es sich genau überlegt, wird durch dieses scheinbare Weglassen von
Informationen sogar in Wahrheit eine zusätzliche Aussage zum Wettkampfergebnis geschaffen…
Bleibt ein Brett auf einer Seite unbesetzt, erhält die gegnerische Mannschaft hierfür kampflos einen Punkt, aber nur, wenn
ihr Spieler auch anwesend ist.
Bleibt ein Brett auf beiden Seiten unbesetzt, so verringert sich dadurch die Gesamtpunktzahl. In manchen Verbänden
ist die Vergabe der Mannschaftspunkte daran gebunden, die Mehrheit bzw. die Hälfte der möglichen Brettpunkte zu erhalten.
Bei einer Sollstärke von 8 Spielern (und beiderseits dem gleichen freigelassenen Brett) würde also ein 3,5:3,5 als Niederlage
beider Teams gewertet werden, ein 4:3 als Unentschieden für die eine und Niederlage für die andere Mannschaft.
Muss unbedingt ein Sieger gefunden werden (z. B. in Pokalspielen) so bedient man sich der Berliner Wertung. Dabei wiegt der Sieg an einem vorderen Brett höher als an den hinteren Brettern. Im normalen Ligabetrieb kann diese Wertung als nächstes Kriterium bei Gleichheit der Mannschafts- und Brettpunkte dienen.
Es ist ein elementarer sportlicher Gedanke, dass am 1. Brett beide Teams ihren stärksten Spieler aufbieten, an Brett 2 den zweitstärksten usw. In ordentlichen Mannschaftsmeisterschaften muss die Rangfolge der Spieler zu Beginn der Saison bzw. des Turniers festgelegt werden. Wenn dann ein Stammspieler fehlt, rücken die übrigen Spieler in der Brettfolge auf und der Ersatzmann übernimmt das hinterste Brett.
Die zahlenmäßige Stärke einer Mannschaft ist in der jeweiligen Ausschreibung festgelegt. Üblich sind Mannschaften mit 4, 6
oder 8 Spielern.
In der Regel ist vorgeschrieben, dass eine Mannschaft den Wettkampf erst aufnehmen kann, wenn mindestens die Hälfte der Bretter
besetzt sind. Eine Achter-Mannschaft darf also erst spielen, wenn mindestens 4 Spieler anwesend sind. Haben sich erst
3 oder weniger Spieler eingefunden setzt der Schiedsrichter die Uhren dieser Mannschaft in Gang, aber auch die anwesenden
Spieler dürfen ihre Partien noch nicht beginnen, da keine spielfähige Mannschaft anwesend ist. Dennoch verfließt
bereits ein Teil ihrer Bedenkzeit. Die Zuspätkommer schaden also nicht nur sich selbst, sondern auch ihren Teamgefährten.
Dies ist für den einzelnen Spieler der wichtigste Unterschied zum Einzelturnier: Wenn er ein Remisgebot erhält oder
selbst remis bieten möchte, darf (und soll) er seinen Mannschaftsleiter fragen, ob dieses Ergebnis im Sinne der Mannschaft
in Ordnung geht. Der Mannschaftsleiter kann zum Remis raten oder eben den Spieler zum Weiterspielen auffordern. Diese
Antwort darf keinerlei Hinweis zur Partie enthalten – auch nicht in solch allgemeiner Form wie: "Du stehst doch besser."
Der Spieler trifft letztlich die Entscheidung über seine Partie selbst. Er ist an den Rat des Mannschaftsleiters nicht
gebunden. Aber natürlich muss er in solchen Situationen immer das Wohl der Mannschaft im Auge behalten.
Für Fragen, Kritiken und Anregungen bitte Email an mich