Hofmann,Paul – Stroebele,Hans Christian
16.Politikerturnier Berlin, 29.10.2006



1.e2-e4 e7-e5 2.Sg1-f3 Sb8-c6 3.Lf1-c4 Sg8-f6 4.Sb1-c3 g7-g6!?
Das ist natürlich ein sehr unüblicher Zug, der nichts zur Entwicklung der schwarzen Figuren beiträgt. Aber nichts ist neu: Die Megadatabase findet immerhin noch 44 Partien mit dieser Stellung, wobei unter den Schwarzspielern sogar noch ein ELO-2000er ist. Glaubt man dieser Statistik, hat Weiß jetzt mit 58% Ausbeute noch nicht viel mehr als den Anzugsvorteil.

5.Sf3-g5
Unverzüglich nehmen die weißen Leichtfiguren das wichtige Feld f7 unter Beschuss. Ein Motiv, das man im Kinderbereich sehr häufig sieht.

5…h7-h6??
Auch das ist eine Reaktion, die man bei Kindern immer wieder sieht. Schwarz will den aufdringlichen Springer vertreiben und merkt nicht, dass es dazu eigentlich schon zu spät ist. [5…d7-d5 6.e4xd5 Sc6-a5 führt zu Bildern, die entfernt an bekannte Eröffnungspfade erinnern.
Auch 5…Lf8-g7 6.Sg5xf7 Dd8-e7 7.Sf7xh8 Lg7xh8 wäre vielleicht noch zu erdulden.]

6.Sg5xf7 Dd8-e7 7.Sf7xh8 Sc6-d8
Damit sollte wohl das Feld f7 unter Kontrolle gebracht werden. Doch der Springer kann ja leider über g6 ausreißen.
[Schwieriger wird die Befreiung des Schimmels nach 7…De7-g7 8.Sh8-f7 d7-d6 9.d2-d3 Sc6-a5 10.Lc1xh6 Dg7-h7 11.Dd1-f3 Lf8-e7 12.Lh6-g5 Sa5xc4 13.Lg5xf6 Dh7xf7 14.Lf6xe7 Df7xf3 15.g2xf3 Ke8xe7 freilich auch mit klarem Vorteil für Weiß. Ob dies aber zum Gewinn genügt hätte, wird man nach dem weiteren Partieverlauf bezweifeln müssen.]

8.Sh8xg6 De7-g7 9.Sg6-h4
Der weiße Springer hat das Abenteuer unbeschadet überstanden. Mit Turm und zwei Bauern Mehrbesitz sollte die Sache entschieden sein.

9…Dg7-g5 10.g2-g3 Lf8-c5!?
[Die Entwicklung des Damenflügels mit 10…d7-d6 verdiente den Vorzug.]

11.d2-d4!
… eine tückische Falle. Abzugsangriffe dieser Art werden natürlich gerade in den untersten Altersklassen immer wieder übersehen.

11…Lc5xd4?? 12.Lc1xg5 Ld4xc3+ 13.Ke1-e2
[13.b2xc3 wäre schon noch gegangen…]

13…Sf6xe4
[13…h6xg5 ist objektiv besser. Aber wenn Schwarz hier schon die folgende Gemeinheit im Sinn hatte, ist dieser Zug natürlich nicht zu tadeln. Als Trainer im Kinderbereich ist man immer wieder erstaunt, wenn die Schützlinge zwar einerseits kürzeste Drohungen übersehen, aber an anderen Stellen durchaus einmal 2-3 Züge voraus planen.]

14.Lg5xh6
[Schwarz spekulierte wohl auf 14.b2xc3. Se4xc3+
Sehr gut wäre 14.Dd1-d5! Der Zug deckt schonungslos die Probleme des schwarzen Königs auf und greift nebenbei den ungedeckten Springer an. Solche Möglichkeiten zu erkennen, muss ein wichtiger Bestandteil jedes Kindertrainings sein. 14…Se4xg5 führt bereits zum Matt. (14…Sd8-e6 15.Dd5xe4 mit verheerenden Folgen.
Fritz empfiehlt das freilich auch aussichtslose 14…Se4xg3+ 15.h2xg3 Sd8-e6 16.Sh4-f5 ; 14…h6xg5 15.Dd5-g8+ Ke8-e7 16.Sh4-f5+ Ke7-f6 17.Dg8-f8+ Kf6-g6 18.Sf5-e7+ Kg6-h7 19.Df8-g8+ Kh7-h6 20.Dg8-g6# ) 15.Dd5-g8+ Ke8-e7 16.Sh4-f5+ Ke7-f6 17.g3-g4 Sd8-e6 (17…Lc3xb2 18.Dg8-g7# ) 18.Dg8-h8+ Kf6-g6 19.Dh8xh6+ Kg6-f7 20.Dh6-g7+ Der Springer ist gefesselt. Das konnte man freilich bei einer Vorberechnung im 14. Zug schon mal übersehen. 20…Kf7-e8 21.Dg7-e7# ]

14…Lc3xb2 15.Ta1-b1??
Bringt den Turm in Sicherheit, lässt aber weit größeren Schaden zu. Im Kinderbereich sieht man es oft, dass reflexartig die angegriffene Figur gezogen wird, statt eine stärkere Drohung zu erkennen. [15.Ke2-e1 Lb2-c3+ 16.Ke1-f1 und nun scheitert z. B. 16…Lc3xa1? an einem schnellen Matt 17.Dd1-h5+ Sd8-f7 18.Dh5xf7+ Ke8-d8 19.Df7-f8# ]

15…Se4-c3+ 16.Ke2-d2 Sc3xd1 17.Th1xd1 Lb2-d4
Ziehen wir Zwischenbilanz: Weiß hat noch immer einen Turm mehr und der gegnerische König steht sehr verwundbar. Die Frage kann eigentlich nur sein, wie lange der Anziehende braucht, um den verdienten Punkt einzufahren. Als Kindertrainer weiß man freilich, dass sich dies in Turnieren der U8 oder U10 durchaus noch recht lange hinziehen kann.

18.f2-f4 Sd8-c6 19.c2-c3 Ld4-c5 20.f4xe5 Sc6xe5 21.Td1-e1 d7-d6 22.Sh4-f3 Ke8-d7
Sehr aufmerksam: Schwarz geht aus der e-Linie, um die Fesselung des Springers aufzuheben, der nun verheerend auf f3 zu schlagen droht.

23.Sf3xe5+
ach so.

23…d6xe5 24.Te1xe5 Lc5-d6 25.Lc4-e6+ Kd7-c6 26.Le6xc8 Ta8xc8
[Das ist in der Tat viel besser als das vordergründige 26…Ld6xe5?? 27.Lc8xb7+ Kc6-c5 28.Lh6-e3+ Kc5-d6 29.Lb7xa8, was man in vielen schwächeren Kinderturnieren vermutlich gesehen hätte.]

27.Te5-b5 Tc8-d8
Erneut ein starker Zug: Schwarz bereitet ein Doppelschach vor. Die Kraft dieses Manövers lernt man in den ersten Wochen des Grundlagentrainings kennen.

28.Lh6-g5 Ld6-e5+?
[Schade 28…Ld6-f4+ hätte wenigstens kein weiteres Material verloren. 29.Kd2-e1 Lf4xg5 30.Tb5xg5 ]

29.Lg5xd8 Le5-d6 30.Tb5xb7 Ld6-c5 31.Tb7xc7+ Kc6-d6 32.Tb1-b7 Lc5-b6 33.Tc7-d7+ Kd6-c6
Weiß hat nun 2 Türme und 3 Bauern mehr. Als Trainer könnte man sich zwar wundern, dass der Partiegewinn so lange dauert, aber immerhin hat der Anziehende nicht viel falsch gemacht und seinen Vorteil kontinuierlich vergrößert.

34.Tb7xa7
Gar nicht so schlecht: Oft ist es das Einfachste, etwas Material zurück zu geben und dann eine ganz elementar gewonnene Stellung zu behalten. Eine wichtige Erkenntnis, die man jungen Spielern früh beibringen soll, damit sie sich nicht zu sehr bei der Realisierung ihres Vorteils quälen. [Natürlich konnte man auch in wenigen Zügen mattsetzen. Aber das Erkennen dieses Gewinns – zumal er einen "stillen Zug" beinhaltet – muss man nicht unbedingt verlangen. Der Sieg ist ja auch so nicht in Gefahr. 34.Ld8xb6 a7xb6 35.Tb7-c7+ Kc6-b5 36.Td7-d8 Kb5-a5 (36…Kb5-a4 37.Td8-a8+ Ka4-b5 38.a2-a4# ) 37.Td8-a8+ Ka5-b5 38.a2-a4# ]

34…Lb6xa7 35.Td7xa7 Kc6-d6 36.Ta7-a5 Kd6-d7 37.Ld8-g5 Kd7-e6 38.c3-c4 Ke6-d6 39.c4-c5+ Kd6-c6 40.Kd2-d3
Immer wieder sieht man in den unteren Altersklassen (in der U8 und allenfalls noch an den hinteren Brettern der U10), dass solche aussichtslosen Stellungen weitergespielt werden. Die Hoffnung ist klar: "Vielleicht setzt mich mein Gegner ja noch patt." Warum aber ein Spieler, der (siehe unten) die Pattregel gar nicht kennt, hier noch weiterkämpft, wird sich mir nicht so leicht erschließen.

40…Kc6-c7 41.Lg5-f4+ Kc7-c6 42.Kd3-d4 Kc6-d7 43.Kd4-d5 Kd7-e7 44.Lf4-e5 Ke7-d7 45.Ta5-a7+
Auch wenn Weiß einige kurzzügige Entscheidungen ausgelassen hat, spielt er doch recht zielstrebig auf Gewinn. Der Nachwuchstrainer hätte daran seine helle Freude, wird doch das Matt – ob forciert oder mehr zufällig – nicht lange auf sich warten lassen. Dem unterlegenen Spieler rät man in solchen Fällen, er möge aufgeben, wenn der Gegner zeigt, dass er den richtigen Gewinnweg verstanden hat. Hier wäre Gelegenheit dazu.

45…Kd7-e8 46.c5-c6 Ke8-d8 47.Kd5-d6 Kd8-c8 48.Ta7-c7+
[48.Ta7-a8# wäre einzügig matt – aber auch so gerät der weiße Sieg nicht in Gefahr. Die Partie kann gar nicht mehr lange dauern – wird sie auch nicht…]

48…Kc8-b8 49.Kd6-d7
[49.Le5-d4 Kb8-a8 50.Tc7-c8# wäre doch hübsch gewesen.]

49…Kb8-a8 50.Kd7-c8
Tja, das war's dann. Schwarz ist patt. Nach Augenzeugenberichten wussten beide Spieler nicht so recht, was nun eigentlich los ist. Der eine suchte verzweifelt nach einem Zug, der andere wartete darauf, dass jener endlich etwas täte. Erst der hinzutretende Schiedsrichter erklärte den Spielern die Pattregel und das damit erreichte Unentschieden. Auch bei Turnieren von Vor- und jüngeren Grundschulkindern beobachtet man manchmal, dass noch während der Partie elementare Regeln erlernt werden müssen. Warum auch nicht – sowas prägt sich ein. 1/2-1/2