Endspiel – Intensiv
Oppositionslehre im Detail

Wir wissen bereits um die besondere Bedeutung des geometrischen Motivs der Opposition im Bauernendspiel. Mit diesem Mittel wird der Gegner in einen unangenehmen Zugzwang gebracht, wonach er z. B. die Bewachung eines eigenen Bauern aufgeben oder das Vordringen unseres Königs erlauben muss.
Besonders wichtig ist die Opposition daher im Kampf um die Schlüsselfelder – also jene Felder, deren Beherrschung den Vormarsch eines Bauern garantiert.

Die Oppositionslehre erleichtert es uns, Stellungen in solchen Endspielen zu bewerten und die richtigen Pläne zu finden, ohne dass man lange Zugfolgen genau berechnen müsste.

Der Grundbegriff

Bild Der Begriff der Opposition (= Gegenüberstellung) bezeichnet eine Stellung, in welcher sich die beiden Könige (mehr oder weniger) direkt gegenüber stehen. Für den am Zug befindlichen Spieler ist es nicht möglich, seine Stellung weiter zu verbessern. Wenn er keine sinnvollen weiteren Züge (Bauernzüge) hat, gerät er in Zugzwang. Er muss die Opposition aufgeben und gerät dadurch in der Regel entscheidend in Nachteil.
Derjenige Spieler, der durch seinen Zug die Opposition herbeiführte, "besitzt (hat) die Opposition", sein Gegner muss im Zugzwang die "Opposition aufgeben / verlieren".

Das Bild zeigt ein Beispiel senkrechter Opposition. Wenn es um das Vordringen des Königs und Raumgewinn geht, ist dies die mit Abstand wichtigste Form. Aber Opposition kann auch waagerecht (die Könige stehen auf der gleichen Reihe) und sogar diagonal auftreten.

Nahe, mittlere und ferne Opposition

Bild Bild Das oben gezeigte Stellungsbild zeigt den Fall der Nahopposition. Zwischen den beiden Königen liegt genau ein Feld. Näher können sich die Monarchen schon aufgrund der Schachregeln nicht kommen.
Für die Berechnung von Zugfolgen im Bauernendspiel sind aber auch die mittlere und ferne Opposition von Bedeutung. Bei der mittleren Opposition (links) umfasst der Zwischenraum 3 Felder, bei der Fernopposition (Bild rechts) sind es 5 Felder.

Anwendungen des Oppositionsbegriffs

Wir wollen uns nun zu den vorgestellten Oppositionsarten einige instruktive Beispiele anschauen.

Beispiele zur Nahopposition

In den folgenden Endspielen gewinnt die überlegene Seite durch konsequente Ausnutzung der Nahopposition.
Lehrbeispiel Nahopposition
L'Hermet – Johnsteyn, 1877 – Weiß am Zug, hält remis

Beispiele zur mittleren Opposition

Wir sehen jetzt, wie die Berücksichtigung der mittleren Opposition es erleichtert, ein kompliziertes Endspiel richtig zu bewerten.
Schon die erste Studie lohnt genaue Betrachtung wegen der verschiedenen Oppositionsmanöver auch in den fehlgeschlagenen Varianten.
Studie von Neustadtl, 1890
Sehr interessant ist die folgende Partiestellung. Das Bild kommt uns sehr bekannt vor und sollte ein in der Praxis recht häufiges Motiv sein. Überraschend gibt es für Schwarz genau einen Gewinnweg, den man wohl nur findet, wenn man die Lehre von der Opposition richtig einsetzt.
Kranki – Lange, 1940
In der folgenden, von Ex-Weltmeister Botwinnik entworfenen Studie gewinnt Weiß mit genauen Oppositionszügen, obwohl er zunächst einen Bauern weniger hat.
Studie von Botwinnik, 1934

Beispiele zur Fernopposition

Auf den ersten Blick einfach, aber doch sehr instruktiv und beeindruckend klar ist das folgende Studienbeispiel. Es demonstriert, wie durch Übergang von der fernen zur mittleren und schließlich zur nahen Opposition der Sieg erzwungen wird. Wir beschränken uns auf die Hauptvarianten.
Studie von Eduard Lasker, 1915
Auch im zweiten Beispiel wollen wir uns auf die Hauptvarianten konzentrieren. Der Autor ist nicht bekannt.
Lehrbeispiel zur Fernopposition

Erweiterter Oppositionsbegriff

Bild Bild Alle Beispiele haben gezeigt, dass es letztlich darauf ankommt, die Nahopposition zu erreichen. Neben der klassischen mittleren und entfernten Opposition gibt es jedoch auch weitere Stellungen, aus denen man letztlich den Übergang in die Nahopposition erreichen kann. Es genügen also bereits diese Stellungen, um das jeweils angestrebte Ziel (Remis oder Gewinn) zu erreichen.
Hierzu definiert Rainer Staudte in seiner Arbeit ein Rechteck, welches von den Standfeldern der beiden Könige und den entsprechenden Linien bzw. Reihen begrenzt wird – siehe Bild links. Haben nun alle vier Eckfelder dieses Rechtecks die gleiche Farbe, so besteht Opposition, im anderen Fall (rechtes Bild) nicht.

Für die Anwendung des erweiterten Oppositionsbegriffs wollen wir uns auf eine Studie beschränken.
Studie von Leick, 1937




Inhalt und Partiebeispiele dieser Arbeit basieren auf einem Dokument des erfolgreichen und engagierten sächsischen Schachtrainers Rainer Staudte. Wir danken Herrn Staudte für die Genehmigung, sein Material hier zu verwenden.

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Thomas Binder, 2008