Montavon,Gerard (2109) – Binder,Thomas (1854)
OBT 2008, 28.03.2008

Nun geht es gegen den Schweizer Gerard Montavon. Er ist ein fester Bestandteil der Berliner Schachszene, spielt bei vielen Turnieren in unserer Stadt und hat sogar zeitweilig einem Berliner Verein angehört. Gerard spielt ein höchst kreatives Schach und will jede Partie bedingungslos gewinnen. Man hat den Eindruck, dass er nur für das Schachspiel lebt. Ein sympathischer Schachfreund, ein starker und interessanter Spieler: Ich habe mich gefreut, dass ich endlich einmal die Gelegenheit habe, im Turnier gegen ihn zu spielen. Hoffnungen auf einen (halben) Punkt machte ich mir aber kaum.

1.e2-e4 d7-d5 2.e4xd5 Sg8-f6 3.Lf1-b5+ Lc8-d7 4.Lb5-c4 b7-b5 5.Lc4-b3 a7-a5 6.a2-a3 Ld7-c8?
[Da habe ich etwas verwechselt, denn eigentlich sollte ich mich in dieser Eröffnung gut auskennen. Richtig ist 6…Ld7-g4 7.f2-f3 Lg4-c8 ]

7.Sb1-c3 Lc8-a6 8.Dd1-f3 Sb8-d7 9.d2-d4 g7-g6 10.Sg1-e2 Lf8-g7 11.0-0 0-0 12.Tf1-e1
Die Entwicklung ist noch halbwegs gelungen, doch für den Minusbauern habe ich keinerlei Kompensation in Form von Entwicklungsvorsprung oder Schwächen im gegnerischen Lager. Dass es sich um einen Doppelbauern handelt, ist auch nur ein schwacher Trost, denn beide d-Bauern hemmen mein Spiel gewaltig. Kurzum: Die Eröffnung ist irgendwie schiefgegangen.

12…Sd7-b6 13.Se2-f4 b5-b4 14.Sc3-e4 La6-b7
Schwarz bekommt den Bauern zurück. Aber auch danach wird Weiß etwas besser stehen.

15.Se4-c5 Lb7xd5 16.Sf4xd5 Sb6xd5
[Besser ist 16…Sf6xd5 wegen des Angriffs gegen d4.]

17.a3xb4 a5xb4 18.Ta1xa8 Dd8xa8 19.Lc1-d2
Einiges Material ist abgetauscht und ich habe den Bauern zurück bekommen. Dennoch steht Weiß besser: Gerard hat das Läuferpaar und die aktiveren Figuren. Meine Bauern b4 und c7 stehen verdächtig. Pluspunkte für Schwarz sind selten – am ehesten ist an die Beherrschung der a-Linie zu denken.

19…e7-e6 20.g2-g4
Ein solcher aggressiver Zug passt genau zu Gerards kompromisslos offensivem Spiel.

20…Sd5-b6 21.Df3xa8 Tf8xa8 22.Ld2xb4
Wie erwartet, konnte ich meine Bauern nicht alle auf dem Brett halten.

22…Sf6-d5
[Natürlich hatte ich gehofft, jetzt den ungedeckten Bauern g4 nehmen zu können. Doch das wäre ein böser Reinfall geworden… 22…Sf6xg4?? 23.Sc5xe6! f7xe6 24.Lb3xe6+ Kg8-h8 25.Le6xg4 Lg7xd4 26.c2-c3 ]

23.Lb4-c3 Sd5xc3 24.b2xc3
Weiß hat einen Mehrbauern, der aber als Doppelbauer nicht viel wert zu sein scheint. Es kommt jetzt darauf an, ob er die Bauern am Damenflügel auflösen kann und ob er gegen meinen schwachen Bauern c7 Spiel bekommt.

24…Lg7-f8 25.Sc5-e4 Lf8-d6 26.c3-c4 Ld6-b4 27.Te1-d1
[Mein Plan war 27.c2-c3 Ta8-a3 28.Te1-b1 Lb4-e7 ]

27…Kg8-g7 28.g4-g5!? Ta8-a5!
Die Aktivierung des Turmes dürfte die einzig gute Chance für Schwarz sein.

29.h2-h4 Ta5-f5 30.Kg1-g2 Tf5-f4
Plötzlich spielt auch Schwarz wieder mit.

31.f2-f3?
Weiß lässt das Nehmen auf h4 zu, in dem Glauben er könnte meinen Turm einklemmen und eine Qualität gewinnen. [Sehr gut wäre 31.Se4-f6 Ich dürfte nun nicht auf h4 schlagen. 31…Tf4xh4? 32.Kg2-g3 und der Turm ist gefangen.]

31…Tf4xh4 32.Kg2-g3?
Jetzt hat mein Turm ein Fluchtfeld.
[Der richtige Zug ist 32.c4-c5!! wie Gerard auch in der Analyse nach der Partie sofort zeigte. Wir analysierten diese Stellung sehr lange. Mein Läufer wird ausgesperrt und Weiß bekommt klaren Vorteil. 32…Sb6-d5 33.Lb3xd5 e6xd5 34.Se4-f6! u.a. mit der Idee Td1-a1-a8-g8 matt. Außerdem hängt jetzt d5, es droht die Springergabel auf e8… 34…c7-c6 35.Kg2-g3 … oder der Turm wird gefangen.]

32…Th4-h5 33.f3-f4 Lb4-e7 34.Td1-a1 h7-h6 35.c2-c3
[35.g5xh6+ Th5xh6 Ausgleich]

35…h6xg5
mit Remisgebot meinerseits – aus Zeitnot und sicher auch aus Respekt vor dem Gegner. Es spricht aber natürlich für Gerards Siegeswillen, dass er auch jetzt auf Gewinn spielt, obwohl ein Bauer verloren geht.

36.f4xg5 Le7xg5 37.Lb3-d1
Auch das funktioniert nicht.

37…Lg5-h4+ 38.Kg3-f4 Th5-f5+ 39.Kf4-g4 Lh4-e7 40.Ld1-b3
[Etwas besser ist 40.Ta1-a7 Sb6xc4 41.Ta7xc7 Sc4-e3+ 42.Kg4-g3 Se3xd1 43.Tc7xe7 In der Analyse dieser Variante war Gerard sehr optimistisch, sogar gewinnen zu können. Danach sieht es nun nicht unbedingt aus, aber er wird wohl auch nicht verlieren.]

40…g6-g5 41.Se4-g3??
Jetzt gewinnt Schwarz einen zweiten Bauern und steht klar auf Gewinn. Allerdings wurde meine Bedenkzeit knapp.

41…Tf5-f4+ 42.Kg4-h3 Tf4-f3 43.c4-c5 Sb6-d5
[Einfacher gewinnt 43…Tf3xc3! ]

44.Lb3xd5 e6xd5 45.Ta1-a7 Tf3xc3 46.Ta7xc7 Le7-f6 47.Kh3-g2 Kg7-g6
[Vorsicht: 47…Lf6xd4? 48.Sg3-f5+ Kg7-f6 49.Sf5xd4 ]

48.Tc7-c6 Tc3-c4 49.Sg3-e2 Kg6-g7 50.Tc6-d6 Lf6xd4 51.Td6xd5 Ld4-e3 52.Kg2-f3?
[52.Td5-e5 Le3xc5 53.Te5xg5+ Kg7-f6 sieht besser aus.]

52…Tc4xc5
Ich habe nun sogar zwei Mehrbauern, zumal in Gestalt verbundener Freibauern. Gegen jeden gleichwertigen Gegner würde ich einen Sieg anstreben und wäre sehr enttäuscht, wenn dies nicht gelingt. Gegen einen renommierten Spieler dieses Kalibers ist mir auch ein Remis recht. Aber selbst jetzt wird Weiß noch lange versuchen, die Partie zu gewinnen. Er spekuliert darauf, dass meine Bedenkzeit knapp wird und solange er den Springer hat, besteht immer die Gefahr, dass ich in eine Gabel laufe.

53.Td5-d7 Tc5-e5 54.Se2-g3 Le3-f4?!
Natürlich ist dies ein "schwacher" Zug, denn nun kann Weiß sofort einen Bauern erobern. Aber ich habe das ganz bewusst gemacht, denn ich wollte nur den "Spatz in der Hand" (das Remis). Wenn nämlich Weiß den Bauern nimmt, werden Läufer und Springer getauscht und das Endspiel mit den Türmen ist sofort remis.

55.Sg3-e4
[Die Variante zur vorigen Anmerkung: 55.Sg3-h5+ Kg7-g6 56.Sh5xf4+ g5xf4 57.Kf3xf4 Te5-f5+ ]

55…Kg7-g6 56.Td7-a7 f7-f5 57.Ta7-a6+ Kg6-g7 58.Ta6-a7+ Kg7-f8 59.Se4-f6 Te5-e3+ 60.Kf3-f2 Te3-e6 61.Sf6-d7+ Kf8-e8 62.Ta7-b7
Klare Gewinnstellung für Schwarz, aber der Springer macht noch immer Trubel.

62…Te6-d6 63.Sd7-b6 g5-g4
[63…Td6-d2+ 64.Kf2-f1 Td2-b2 65.Kf1-e1 Lf4-c7 und Schwarz gewinnt.]

64.Sb6-c8 Td6-d2+ 65.Kf2-f1 Td2-c2 66.Sc8-e7 Tc2-c5 67.Se7-g6 Lf4-g5 68.Sg6-h8 f5-f4 69.Tb7-g7 f4-f3 70.Sh8-f7 g4-g3
Der Läufer ist tabu wegen Grundreihenmatt. In der Partie geht nun doch ein Bauer verloren, wonach das Remis unvermeidlich ist. [Es ging aber besser. 70…Lg5-e3! und Weiß kann das Matt auf der Grundreihe nicht mehr abwehren. 71.Sf7-d6+ Ke8-f8 72.Tg7-f7+ Kf8-g8 und aus.]

71.Sf7-d6+ Ke8-f8
[71…Ke8-d8? 72.Sd6-b7+ Kd8-c8 73.Sb7xc5 wobei selbst das noch remis ist. 73…g3-g2+ 74.Kf1-g1 Lg5-e3+ 75.Kg1-h2 Le3xc5 ]

72.Tg7-f7+ Kf8-g8 73.Tf7xf3 Lg5-e7
mit Remisgebot meinerseits – aber noch immer hofft er wohl, ich liefe in eine Springergabel. So lässt er auch in der Folge Gelegenheiten aus, meinen Bauern zu nehmen, wenn dabei sein Springer abgetauscht wird.

74.Sd6-e4 Tc5-c1+ 75.Kf1-g2 Le7-h4 76.Tf3-f4 Tc1-c2+ 77.Kg2-f1 Tc2-c1+ 78.Kf1-e2 Tc1-h1 79.Se4-d2
[79.Se4xg3 Lh4xg3 80.Tf4-g4+ Kg8-f7 81.Tg4xg3 remis]

79…Th1-h2+ 80.Ke2-e3 Lh4-g5
Hübsch – aber bringt nichts.

81.Sd2-f3 Lg5xf4+ 82.Ke3xf4 g3-g2 83.Kf4-g3
Remis – im besten Falle bleibt das Endspiel mit Turm gegen Springer, aber auch dieses ist unter gleichstarken Spielern immer remis. 1/2-1/2