Wir wollen uns einen kurzen Überblick über den Komplex von Eröffnungen verschaffen, den man unter dem Oberbegriff "Indisch" subsumiert. Ihnen allen
sind die Anfangszüge 1.d2-d4 Sg8-f6 2.c2-c4 gemeinsam.
Die Bezeichung soll auf einen indischen Spieler namens Moheschunder Bannerjee verweisen. Er soll Mitte des 19. Jahrhunderts als Erster so gespielt
haben. Allerdings hat sich auch die Erklärung behauptet, dass "Indisch" mehr als Synonym für "Exotisch" galt. Ihren Aufschwung erlebte diese Spielweise
erst um 1920. Damals war die Idee in der Tat exotisch, das Zentrum nicht mit Bauern zu besetzen, sondern von den Flügeln aus unter Beschuss zu nehmen.
Wir wollen hier keine detaillierten Varianten analysieren, sondern lediglich einen Überblick über die wichtigsten "indischen" Eröffnungen geben.
Diese Eröffnung hatte ihre Blütezeit in den Jahrzehnten vor und nach dem zweiten Weltkrieg. Obwohl ihre Beliebtheit etwas nachgelassen hat, ist sie
auch heute noch in der Weltelite anzutreffen. Die charakteristische Zugfolge lautet 1.d2-d4 Sg8-f6 2.c2-c4 g7-g6 3.Sb1-c3 Lf8-g7 4.e2-e4 d7-d6.
Der Spielansatz von Schwarz beruht darauf, das Zentrum mit den Bauernzügen e7-e5 oder c7-c5 anzugreifen.
Blicken wir auf die wichtigsten Systeme:
Königsindisch – Klassisches System
Königsindisch – Vierbauernangriff
Königsindisch – Sämisch-Variante
Königsindisch – Awerbach-System
Diese Eröffnung ist nach dem großen Erneuerer der strategischen Ideen Aaron Nimzowitsch (1886 – 1935) benannt. Oft wird abkürzend von
Nimzo-Indisch gesprochen.
Ihr strategischer Gedanke besteht darin, den Aufbau eines weißen Bauernzentrums zu hemmen, ohne selbst Bauern in der Brettmitte zu platzieren. Die dabei
entstehende Asymmetrie gibt Schwarz von Anfang an die Gelegenheit zu aktivem Spiel. Die einleitenden Züge sind 1.d2-d4 Sg8-f6 2.c2-c4 e7-e6 3.Sb1-c3 Lf8-b4.
Sehen wir uns auch hier die wichtigsten Varianten an:
Nimzo-Indisch – Klassisches System
Nimzo-Indisch – Rubinstein-System
Nimzo-Indisch – Sämisch-System
Nimzo-Indisch – Leningrader System
Namensgeber dieser Eröffnung ist Ernst Grünfeld (1893 – 1962), ein österreichischer Großmeister.
In dieser Eröffnung erhält Weiß ein starkes Bauernzentrum. Schwarz setzt darauf, dieses später von den Flügeln her anzugreifen. Außerdem bekommt Schwarz
eine Bauernmajorität am Damenflügel, was in einem späteren Endspiel von Vorteil sein kann.
Diese Eröffnung beginnt mit den Zügen 1.d2-d4 Sg8-f6 2.c2-c4 g7-g6 3.Sb1-c3 d7-d5.
Die Grünfeld-Indische Verteidigung stand u.a. immer wieder in WM-Kämpfen der letzten Jahrzehnte zur Debatte. Auch in der "Partie des Jahrhunderts"
zwischen Byrne und Fischer wurde sie gespielt (siehe Trainingseinheit 7).
Grünfeld-Indisch – Moderne Abtauschvariante
Grünfeld-Indisch – Klassische Abtauschvariante
Grünfeld-Indisch – Russisches System
Der Name dieser Eröffnung wird mit "Sohn des Kummers" oder "Sohn der Trauer" übersetzt. Auf dem Brett entspinnt sich allerdings gleich zu
Beginn ein lebhafter Kampf. Weiß setzt wieder auf ein starkes Zentrum. Schwarz baut auf die Mehrheit am Damenflügel und Druck über die halboffene e-Linie.
Die moderne Form der Benoni-Eröffnung wird mit den Zügen 1.d2-d4 Sg8-f6 2.c2-c4 c7-c5 3.d4-d5 e7-e6 eingeleitet.
Modernes Benoni – Klassische Variante
Modernes Benoni – Fianchetto-Variante
Modernes Benoni – Nimzowitsch-Variante
Das Wolga-Gambit ist der vorhergehenden Eröffnung sehr verwandt. Im dritten Zug bietet Schwarz aber das Opfer eines Flügelbauern an, um frühzeitig
Druck über lange Diagonalen und offene Linien in Richtung der weißen Königsstellung aufzubauen. Im englischen Sprachraum wird das Gambit auch nach dem
amerikanischen Großmeister Pal Benkö benannt. Wie bei vielen etwas "exotischen" Gambits haben die Spieler, die es regelmäßig anwenden, einen enormen
Erfahrungsschatz, mit dem sie eventuelle Risiken des Gambitspiels oft mehr als ausgleichen.
Wolga-Gambit
Diese Eröffnung ist durch die Anfangszüge 1.d2-d4 Sg8-f6 2.c2-c4 e7-e6 3.g2-g3 gekennzeichnet. Danach wird Weiß seinen Läufer auf g2 postieren,
womit das bestimmende Merkmal dieser Spielweise genannt ist.
Obwohl auch zuvor bereits gelegentlich gespielt,
verdankt die Variante ihren Namen dem Schachturnier in Barcelona 1929. Seither ist sie ständiger Gast im Turniersaal und wurde über all die Jahrzehnte
sogar in Weltmeisterschafts-Kämpfen angewandt.
Abgesehen von möglichen Übergängen zu anderen Eröffnungen – was hier besonders häufig geschieht – sind zwei Hauptsysteme vorstellbar, in denen
sich der Partieverlauf ganz unterschiedlich entwickelt.
Offenes Katalanisch
Geschlossenes Katalanisch
Bei der Damenindischen Verteidigung ist es Schwarz, der frühzeitig einen Läufer auf die lange weiße Diagonale bringt. Sie beginnt also mit
1.d2-d4 Sg8-f6 2.c2-c4 e7-e6 3.Sg1-f3 b7-b6. Diese Eröffnung gehört u.a. zum Repertoire mehrerer Weltmeister, darunter Aljechin, Karpow und Anand.
Eine Idee des schwarzen Aufbaus besteht darin, mit dem Läufer auf b7 und dem Springer auf f6 die zentralen Felder e4 und d5 unter Beschuss zu nehmen.
Die verschiedenen weißen Möglichkeiten führen zu den beiden folgenden Hauptsystemen.
Damenindisch – Hauptvariante
Damenindisch – Petrosjan-System
Erneut begegnet uns als Namensgeber einer der führenden Meister aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Bogo-Indisch – wie man es abkürzend
bezeichnet – ensteht nach der Zugfolge 1.d2-d4 Sg8-f6 2.c2-c4 e7-e6 3.Sg1-f3 Lf8-b4+. Wichtigste Idee des Aufbaus ist der Abtausch der
schwarzfeldrigen Läufer. Schwarz strebt dann Strukturen an, in denen er den "besseren" Läufer behalten hat.
Bogoljubow-Indisch
Unter den nach nach 1.d2-d4 Sg8-f6 2.c2-c4 praktizierten Eröffnungsideen seien noch folgende kurz erwähnt:
Selbstverständlich haben wir uns bei allen vorgestellten Eröffnungen nur auf die wichtigsten Varianten beschränkt und auch diese nicht tiefer analysiert. Nach dieser "Vorstellungsrunde" kann man gezielt in der Fachliteratur nachschlagen. Einen ersten Einstieg in die weitere Beschäftigung bietet auch die Online-Enzyklopädie Wikipedia.
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