Tschigorin,Michail – Tarrasch,Siegbert
St. Petersburg St Petersburg, 1893

Unzweifelhaft haben wir ein geschlossenes Zentrum vor uns. Die weißen Figuren sind in Richtung Königsflügel ausgerichtet und nach den Postulaten der Schachstrategie muss nun ein Bauernvorstoß an diesem Flügel der richtige Plan sein. In der schachlichen Praxis wird Weiß damit durchaus Erfolg haben, denn die schwarzen Figuren haben gewisse Probleme an den Königsflügel zu kommen.

20.Dh5
Karpow brandmarkt dies als schweren Fehler und empfiehlt einen Vorstoß gemäß nachfolgender Variante. [20.h4 Sh7 21.Sf3 Sf6 22.g4 Tc7 23.g5 Die schwarzen Züge habe ich in die Variante eingefügt, denn Karpow hatte sich bei seiner Analyse nicht darum geschert, dass auch Schwarz hin und wieder am Zuge ist. Nach Durchführung des genannten Planes sieht er Weiß "entscheidend" im Vorteil. Darüber kann man natürlich streiten, aber ganz sicher spielt sich die Stellung des Anziehenden wesentlich angenehmer und er hat gewiss gute praktische Chancen.]

20…Sh7 21.Sf3 c4
Auch Schwarz folgt den allgemeinen Prinzipien für diesen Stellungstyp. Da am Königsfügel im Moment nichts gravierendes droht, strebt er nach einem Gegenschlag auf der anderen Brettseite.

22.Lf1!?
Das dürfte ein ernsthafter Fehler sein. Der Zug leistet nichts für den weißen Angriff am Königsflügel. [Folgerichtiger erscheint 22.Sg4 Sf6 23.Sxf6+ (23.Dh4 Sxg4 24.Dxg4 ) 23…Lxf6 24.Dg4 Dd6 25.Lxh6 Sb4 ]

22…cxd3 23.cxd3 Sg5 24.Lxg5 Lxg5 25.Sg4 Kf8
Ein vorbeugender Zug, freilich nicht unbedingt notwendig. [Karpow verweist auf weiße Angriffsideen etwa wie folgt: 25…Sb4 26.h4 Lf6 27.Sxf6+ Dxf6 28.g4 mit guter Perspektive für den Anziehenden.]

26.Le2
[26.h4 Lf6 27.Sxf6 Dxf6 28.g4 Im Unterschied zur vorigen Variante spielt Schwarz nun 28…Ke7 und kann nach 29.g5? hxg5 30.hxg5 Dd6 die h-Linie besetzen.]

26…Lf6 27.h4 Dd6 28.Sfh2 Se7 29.Taf1 Sg8 30.Ld1 Tc7 31.Lb3 Tec8
Der weiße Angriff ist versandet, weil Tschigorin ihn nicht mit dem richtigen Bauernsturm eingeleitet hat. Hingegen konnte Schwarz nicht nur alles zusammen halten, sondern zugleich am anderen Flügel eine Linie öffnen und seine Schwerfiguren in Stellung bringen.

32.Sf2? Ld8
[Die konsequente Fortsetzung des Aufmarschs am Damenflügel bestand in 32…a5! 33.a3 a4 34.La2 b4 ]

33.De2
[33.a3 Sf6 34.Df3 Sd7 35.Dh5 Sc5 ]

33…a5 34.Sf3 a4 35.Ld1 Lc6
Schwarz stand hier eine Reihe guter Züge zur Verfügung. Die Überführung des Läufers ist einer davon.

36.g4
Nun unternehmen die Königsflügelbauern zwar noch einen zaghaften Versuch, aber der kommt zu spät.

36…f6 37.Sh3
[37.g5 fxg5 38.hxg5 hxg5 39.Sxg5 Dh6+ 40.Dh5 Dxh5+ 41.Lxh5 Lxg5 42.Txg5 Sf6 mit kleinen, aber dauerhaften Vorteilen für Schwarz. Dennoch hätte Weiß so etwas versuchen sollen.]

37…Le8 38.Dh2 Lf7 39.a3 Lb3
Jetzt erkennen wir das Ziel des Läufermanövers: Schwarz will die weißfeldrigen Läufer tauschen, damit seine Türme auf der c-Linie eindringen können.

40.Sf2 Lxd1 41.Sxd1 Tc2
Wir klinken uns hier aus der Partie aus. Wir haben einen Eindruck gewonnen, wie die weiße Strategie nur halbherzig vorgetragen wurde und schließlich scheiterte. Hingegen war der schwarze Gegenstoß ein voller Erfolg. Schwarz gewann die Partie eindrucksvoll. Die Schlussphase ist in Herderschach-Trainingseinheit Nr. 37 nachzulesen. 0-1